Zeitschrift für Palliativmedizin 2006; 7 - P9_4
DOI: 10.1055/s-2006-954188

Methoden in der Ethikberatung

T Wernstedt 1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Tumorzentrum, Palliativmedizin

Einleitung: Medizinisches und pflegerisches Arbeiten hat mit der Gestaltung von Sterbeprozessen zu tun. Sterben ist ein biologisches Phänomen, das jedoch wesentliche psychische und soziale Anteile hat. Sterbeprozesse müssen ausgehandelt werden. Liegen unterschiedliche Einschätzungen zu Zustand und Prognose innerhalb des medizinischen Teams oder zwischen Team und Angehörigen vor, kommt es zum Konflikt. Inzwischen gibt es an mehr als 70 deutschen Krankenhäusern klinische Ethikkomitees (KEKs), die Einzelfallberatung auf Stationen anbieten. Methoden: Die Organisationsformen von Ethikberatung variieren und sind i.d.R. historisch gewachsen. Je nach Größe des KEK tritt das gesamte Gremium bei Anfrage zusammen oder delegiert die Arbeit an eine schnell einsetzbare Arbeitsgruppe. An einigen Kliniken wird die Ethikberatung von einer Einzelperson durchgeführt. Die Ethikberatung moderiert den Diskussions- und Entscheidungsprozess. Es wird herausgearbeitet, worin der moralische Konflikt besteht und welche Sichtweisen und Interessen die einzelnen Beteiligten haben. In diesem Prozess der ethischen Güterabwägung werden von den Beteiligten Entscheidungen getroffen. Die Verantwortung wird nicht delegiert. Nach Erfahrung im Universitätsklinikum Erlangen betrifft die überwiegende Zahl von Anfragen an Ethikberatung Entscheidungen am Lebensende. Die Moderationsformen hängen von der Fragestellung und der Situation ab. Die sequenzierte Fallanalyse (Ulm), die Nimwegener Methode, der Bochumer Arbeitsbogen für ethische Fallananlyse oder die Methode nach M. Raabe (Berlin) sind erprobte Möglichkeiten. Auch eine retrospektive Fallanalyse oder ein dem aktuellen Fall ähnliches Beispiel, die eher den Charakter einer Lehr-Fallanalyse haben, gehören mit zu Formen der Ethikberatung auf Station. Resultate: Bei der Gestaltung von Sterbeprozessen kann im Konfliktfall eine der Situation angepasste Ethikberatung hilfreich sein. Medizinische und pflegerische Kriterien reichen bei Entscheidungen am Lebensende nicht aus. Es ist notwendig, die beteiligten Werte und Situationseinschätzungen der Beteiligten mithilfe eines neutralen Moderators offenzulegen und mittels einer geeigneten Methode auszuhandeln. Schlussfolgerung: Ethikberatung ist ein sinnvolles Instrument, um transparente und strukturierte und damit für alle Beteiligten tragfähige Entscheidungen am Lebensende zu treffen.