Zeitschrift für Palliativmedizin 2006; 7 - P8_9
DOI: 10.1055/s-2006-954184

Effekte der Physiotherapie bei Patienten der Palliativstation

B Schiffel-Schwarz 1, J Kühn 2, D Kastner 2, A Korte 1, G Hofmann-Wackersreuther 2
  • 1Physikalische Therapie KNN, Nürnberg
  • 2Palliativstation KNN, Nürnberg

Einleitung: Ziel des Projektes war es, positive Effekte der eingesetzten physiotherapeutischen Maßnahmen auf das Allgemeinbefinden, die selbständige Lebensführung und den Umgang mit körperlichen Einschränkungen der Patienten in fortgeschrittener Krankheitssituation auf Palliativstationen zu erfassen. Methoden: Im Zeitraum 09/05–03/06 wurden 257 Patienten aufgenommen. Bei 109/257 (42%) wurde Physiotherapie eingesetzt. In 46/257 (18%) handelte es sich um Lymphdrainage/Massagen. Voraussetzung zur Aufnahme in die Studie war es, dass der Patient kognitiv in der Lage war, einen Selbsterfassungsbogen auszufüllen, und bereit war, an der Erfassung teilzunehmen. Zudem wurden die Stimmung, die Motivation und die Fähigkeit, mit körperlichen Einschränkungen umzugehen in einer Abstufung (sehr gut, gut, mäßig, sehr schlecht, schlecht) in Selbst- und Fremderfassung (Team) bei Aufnahme und Entlassung dokumentiert. Der SQ5-Bogen wurde zur Lebensqualitätserfassung mitgeführt. Resultate: Insgesamt waren 18 Patienten (7%) in der Lage und bereit, einen SQ5-Bogen bei Aufnahme auszufüllen. Während des Aufenthaltes sind 5 Patienten gestorben, so dass letztlich bisher nur 13 Patienten ausgewertet werden können. Bei 11/13 Patienten hat sich die in der Skala erfasste Lebensqualität um mehr als 10% verbessert, bei einem Patienten wurde sie schlechter, bei einem Patienten blieb sie gleich. Die Mobilität konnte in 4/13 verbessert werden, in 7/13 Fällen blieb sie stabil. Die Selbständigkeit in der Körperpflege verschlechterte sich durch Krankheitsprogress in 7/13 Patienten. Die Fähigkeit zu allgemeinen Tätigkeiten war in 3/13 Patienten besser und blieb beim Großteil (10/13) unverändert. Angst und Niedergeschlagenheit wurden günstig beeinflusst (7/13 besser, 1/13 gleich). So war die Stimmung bei 11/13 Patienten bei Aufnahme mäßig bis sehr schlecht, bei Entlassung bei 11/13 gut. Die Motivation war im Verlauf nur wenig beeinflusst. Kamen 11/13 Patienten mit körperlichen Einschränkungen bei Aufnahme nur schlecht zurecht, waren es zum Entlassungszeitpunkt nur noch 4/13 Patienten. Bei Aufnahme wurde die Stimmung (8/13 Pat.) und das Zurechtkommen mit körperlichen Einschränkungen (7/13 Pat.) durch das Team besser eingeschätzt als durch die Patienten. Bei Entlassung war die Einschätzung treffender und Abweichungen seltener. Schlussfolgerungen: Es ist infolge des multiprofessionellen therapeutischen Ansatzes sehr schwierig, isoliert den Effekt der Physiotherapie zu erfassen und herauszuarbeiten. Koeffekte über Intervention anderer Berufsgruppen oder auch medikamentöser Therapie sind nicht trennbar, außer vielleicht bei der erreichbaren Mobilisation. Ebenso wird in einer quantitativen Erfassung der ganzheitliche therapeutische Ansatz auf der Palliativstation nicht adäquat abgebildet. Die geringe Patientenzahl in der Erfassung macht deutlich, dass eine Selektion der Patienten im Hinblick auf erreichbare Mobilisation bei der Auswahl der Patienten erfolgt ist. Trotzdem halten wir die physiotherapeutischen Maßnahmen für einen unverzichtbaren Bestandteil der komplexen palliativmedizinischen Behandlung. Der Patient hat hierdurch die Möglichkeit, eine Grenzerfahrung hinsichtlich seiner Ressourcen, seiner Selbständigkeit zu machen, die ihm eine Anpassung seiner Möglichkeiten an die eigene Erwartungshaltung erlaubt. Die im Rahmen der Physiotherapie erfahrene Wertschätzung und Zuwendung zeigt sich auch im positiven Effekt auf die Stimmung und Motivation, auch dann wenn das Ziel, mobil zu sein, nicht erreicht werden konnte.