Zeitschrift für Palliativmedizin 2006; 7 - P3_2
DOI: 10.1055/s-2006-954155

Restriktive Flüssigkeitszufuhr in der Terminalphase kann Leiden reduzieren

M Thöns 1, M Zenz 2
  • 1niedergelassener Anästhesist & Palliativmediziner, Witten
  • 2Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Palliativ- und Schmerzmedizin, BG-Kliniken Bergmannsheil, Bochum

Das Für und Wider von künstlicher Ernährung inkl. Flüssigkeitszufuhr am Lebensende ist häufig Quelle von Auseinandersetzungen. Leiden Sterbende unter Hunger, weil sie nicht mehr essen – muss man sie also künstlich ernähren, spüren Sterbende Atemnot, weil sie aufhören zu atmen – muss man sie also künstlich beatmen? Vergleichbares kann zum Durst ausgeführt werden, weiß man doch schon lange, dass künstliche Flüssigkeitszufuhr zumeist nicht geeignet ist, den Durst zu löschen [6]. Auf jeden Fall wird in diesen Situationen unabhängig von einer künstlichen Flüssigkeitszufuhr immer die konsequente und phantasievolle Mundpflege notwendig sein: So können etwa Sprühflaschen benutzt werden und kleine Eisstücke aus dem Lieblingsgetränk in den Mund gelegt werden [5]. Als Nachteile einer künstlichen Flüssigkeitszufuhr werden etwa die Zunahme von Ödemen, die Abhängigkeit von Pflegepersonal oder Ärzten oder die Verlängerung des Todesrasselns genannt [5, 7]. Todesrasseln und Atemnot sind die häufigsten belastenden Symptome in der Finalphase [6]. In einer Auswertung von 57 Sterbebegleitungen im Hospiz St. Hildegard, Bochum, aus dem Jahr 2004 wurde in keinem Fall ein Todesrasseln über mehr als 12 Stunden beobachtet, wenn entsprechend dem Patientenwillen allenfalls eine geringe künstliche Flüssigkeitszufuhr bei sorgfältiger Mundpflege erfolgte. Nur bei 8 Gästen (14%) trat überhaupt ein Todesrasseln auf. Bei 5 Gästen (63%) dieser Gruppe war eine ärztliche Symptomkontrolle aufgrund objektiver Stresszeichen (z.B. fahrige Armbewegungen, Schwitzen, Stöhnen, Tränenlaufen) notwendig. Demgegenüber erfolgte nur bei 8 von 49 Gästen ohne dieses Symptom ein ärztliches Eingreifen in der Sterbephase (16%). Die Dauer des Todesrasselns wird mit durchschnittlich 57 Stunden angegeben [2], Angaben zur Inzidenz variieren zwischen 23–80% [4, 7]. Während die Sterbephase unter Exsikkose von Beobachtern durchweg als nicht qualvoll und friedlich beschrieben wird, erzeugt das mitunter laute Todesrasseln nicht nur bei Angehörigen und Pflegenden den Anschein eines qualvollen Todeskampfes, oft ergeben sich hier aus palliativmedizinischer Sicht objektive Zeichen des Stresses, die einer invasiven Symptomkontrolle bedürfen. Eine unbefriedigende Symptomkontrolle trotz Therapie wird bei ca. 30% dieser Patienten angegeben [3]. Aktuelle palliativmedizinische Literatur empfiehlt letztlich die künstliche Flüssigkeitszufuhr bei Verdacht auf das Vorliegen einer behandelbaren Störung (z.B. Verwirrung infolge Dehydratation. Ohne Symptome wird lediglich der Einsatz einer phantasievollen Mundpflege empfohlen [1, 5]. Dies können wir anhand unserer Erfahrungen bestätigen. Voraussetzung für jede Entscheidung am Lebensende sind die konsequente Behandlung sämtlicher Symptome und die Aufklärung aller Beteiligten, auch der Angehörigen und Pflegenden.