Zeitschrift für Palliativmedizin 2006; 7 - P2_4
DOI: 10.1055/s-2006-954146

Quantitative sensorische Testung bei Patienten mit Tumorschmerz

R Rolke 1, 2, M Weber 3, N Eich 1, T Hundsberger 1, R Schwab 4, U Siepmann 3, J Jage 4, F Birklein 1
  • 1Klinik und Poliklinik für Neurologie, Uni-Klinik Mainz
  • 2Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Universität Mainz
  • 3III. Medizinische Klinik, Uni-Klinik Mainz
  • 4Klinik für Anesthesiologie, Uni-Klinik Mainz

Einleitung: Mittels quantitativer sensorischer Testung (QST) charakterisierten wir das vollständige sensorische Profil von Patienten mit Tumorschmerz, um die vorherrschenden neurobiologischen Schmerzmechanismen zu beschreiben und die Häufigkeit einer neuropathischen Schmerzkomponente bei Tumorschmerz zu erfassen. Methoden: Wir untersuchten 31 Patienten (55,4±11,1J., 19 Frauen, 12 Männer) mit Tumorschmerz über verschiedenen Körperabschnitten. Wir führten die QST entsprechend dem Protokoll des Deutschen Forschungsverbunds Neuropathischer Schmerz (DFNS) durch. Insgesamt wurden 7 Tests mit der Erfassung von 13 QST-Parametern über dem vom Tumorschmerz betroffenen Areal durchgeführt (Kälte- und Wärmedetektionsschwelle, thermische Unterschiedsschwelle, paradoxe Hitzeempfindungen, Kälte- und Hitzeschmerzschwelle; mechanische Detektionsschwelle für von Frey-Filamente, mechanische Schmerzschwelle und SR-Funktion für Nadelstiche, mechanisch-dynamische Allodynie, Windup, Vibrationsschwelle, Druckschmerzschwelle). Die Patientendaten wurden bezogen auf Referenzdaten gesunder Kontrollpersonen beurteilt, um Normalwerte, sensible Pluszeichen (Patienten mit gesteigerter Empfindlichkeit für den jeweiligen Reiz) und sensible Minuszeichen (Patienten mit reduzierter Empfindlichkeit) zu erfassen. Resultate: 25,8% aller Patienten zeigten eine unauffällige Messung für alle 13 QST-Parameter. Bei ebenfalls 25,8% der Patienten fanden sich für mindestens einen QST-Parameter sensible Minuszeichen als Hinweis auf eine Nervenschädigung. Nur 6,5% der Patienten präsentierten isoliert sensible Pluszeichen im Sinn einer gesteigerten mechanischen Schmerzempfindlichkeit für Nadelreize (Pinprick-Hyperalgesie). Bei 41,9% der Patienten fand sich ein Nebeneinander von sensiblen Plus- und Minuszeichen. Über alle 31 Patienten hinweg war eine erhöhte Vibrationsschwelle (60% der Patienten) das häufigste sensible Minuszeichen, gefolgt von einer Thermhypästhesie (39%) und taktilen Hypästhesie (26%) bei Berührung der Haut mit von Frey-Filamenten. Die häufigsten sensiblen Pluszeichen waren eine Hyperalgesie gegenüber stumpfem Druck (32%), Pinprick-Hyperalgesie (17%) und dynamisch mechanische Allodynie (12%). Schlussfolgerung: Mithilfe der quantitativen sensorischen Testung lassen sich sensible Plus- und Minuszeichen bei Patienten mit Tumorschmerz erfassen. Am häufigsten fand sich ein Mischtyp dieser Phänomene oder Patienten mit isoliert sensiblem Defizit als Hinweis auf eine neuropathische Schmerzkomponente. Patienten mit isolierten Pluszeichen waren selten. Insbesondere das Vorkommen einer mechanischen Hyperalgesie für Nadelreize sowie eine dynamisch mechanische Allodynie sind mit dem Vorliegen einer zentralen Sensibilisierung der Schmerzwahrnehmung bei Patienten mit Tumorschmerz vereinbar. Danksagung: Mit Unterstützung der Stiftung Rheinland-Pfalz für Innovation.