Zeitschrift für Palliativmedizin 2006; 7 - P1_17
DOI: 10.1055/s-2006-954141

Kuration versus Palliation? Aushandlungsprozesse im interdisziplinären Team

S Stahl 1
  • 1Fachhochschule Fulda, Fachbereich Pflege und Gesundheit

Einleitung: Die Diagnose einer onkologischen Erkrankung im Kindesalter stellt einen enormen Einschnitt für die Betroffenen und ihr familiäres Umfeld dar. Sie hat auch soziale und emotionale Auswirkungen auf das Kind und seine Familie. Eine angemessene palliative Versorgung krebskranker Kinder erfordert eine Zusammenarbeit von Health Professionals, in der Medizin, Pflege und psycho-sozialer Onkologie ihre je eigene Expertise für die Versorgungsgestaltung einbringen können. Als theoretische Basis für eine solche interdisziplinäre Versorgung bietet sich die Theorie der Krankheitsverlaufskurve von Corbin und Strauss (2004) an. Diese beschreibt die unterschiedlichen Wahrnehmungen von Betroffenen und Health Professionals während des Krankheitsverlaufs und der darin zu leistenden krankheitsbezogenen, alltagsbezogenen und biografischen Arbeit. Methoden: Über einen Zeitraum von sechs Wochen wurden teilnehmende Beobachtungen interdisziplinärer Teambesprechungen durchgeführt. Gegenstand der Besprechungen waren schwerst-onkologisch erkrankte Kinder. Die Auswertung der Beobachtungsprotokolle erfolgte im Stil der Grounded Therory (Glaser/ Strauss 1998; Corbin 2002). Resultate: Der Sichtweise von Health Professionals auf onkologisch erkrankte Kinder liegt ein dichotomes Verständnis von kurativer Therapie und palliativer Versorgung zugrunde, innerhalb dessen die Dominanz medizinischer Erfordernisse in der „kurativen Phase“ vom gesamten Team akzeptiert wird. Unterschiedliche Sichtweisen werden deutlich, wenn es um die Feststellung der „palliativen Phase“ geht. Die sich aus dieser Situation ergebenen Aushandlungsprozesse (Strauss 1978) orientieren sich an medizinischen Kriterien. Die Wahrnehmungen der Betroffenen bleiben unberücksichtigt. Solange kurative Optionen bestehen werden Aspekte palliativer Versorgung nicht aufgegriffen. Schlussfolgerungen: Interdisziplinäre Teambesprechungen stellen eine geeignete Methode dar, um unterschiedliche Perspektiven der Health Professionals auf einen „Fall“ zur Sprache zu bringen. Die Aushandlungsprozesse innerhalb des Teams können für die Optimierung der Versorgung sterbender Kinder nutzbar gemacht werden. Weitere Studien sollten klären, wie die Sichtweisen der Betroffenen in die Teambesprechungen hinreichend Berücksichtigung finden können.