Zeitschrift für Palliativmedizin 2006; 7 - P1_4
DOI: 10.1055/s-2006-954128

„Dafür sind Sie doch zuständig?!“ Gemeindepfarrer und die Begleitung sterbender Menschen

D Jonas 1
  • 1Kirchliche Hochschule Bethel, Bielefeld

Einleitung: Dass die Begleitung sterbender Menschen eine pastorale Aufgabe ist, ist allgemein anerkannt – aus kirchlich-pastoraler Sicht wie auch aus Sicht von Ärzten, Pflegenden, Patienten und Angehörigen, unabhängig der Zugehörigkeit zu einer Kirche. In der letzten Lebensphase, wenn Fragen nach dem Warum, Woher, Wohin und Wozu höchst virulent werden, dann ist der Pastor gefragt. Er hat Kompetenz in den „letzten Dingen“. Aber: Wie sieht die Arbeit eines Gemeindepastors in diesem Bereich tatsächlich aus? Wird er angefragt, einen sterbenden Menschen zu begleiten? Lässt er sich fragen? Außerdem: Wie sieht der Kontext aus, in dem Gemeindepastoren agieren (müssen)? Werden sie eingebunden und lassen sie sich einbinden in den multiprofessionellen Kreis derer, die in der Hospiz- und Palliativversorgung tätig sind? Schließlich: Was kann aus Sicht von Gemeindepastoren zu einer Verbesserung der Kommunikation und Vernetzung mit anderen und damit zur Verbesserung der Begleitung sterbender Menschen, beitragen? Methoden: Evaluation kirchlich-pastoraler Arbeit, noch dazu in der Seelsorge, ist ein Wagnis, geschieht deshalb selten, ist aber geboten, damit Zusammenarbeit mit anderen funktionieren kann. Im Rahmen eines Examensprojektes im Jahr 2005 wurden darum exemplarisch die Gemeindepastoren zweier „typischer“ Kirchenkreise der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers zu ihrer Arbeit und Zusammenarbeit im Bereich der Begleitung sterbender Menschen schriftlich befragt (n=33; Rücklaufquote: knapp 55%). Die Auswertung der schriftlichen Interviews – flankiert durch mündliche Interviews mit niedergelassenen Ärzten und Pflegenden – erfolgte im Sinne der neueren qualitativen Sozialforschung (Strauss u.a.). Vor diesem Hintergrund werden Impulse für die praktische (Zusammen-) Arbeit abgeleitet, die vorgestellt und gemeinsam diskutiert werden. Die Konzentration auf die „ambulante“ Situation von Gemeindepastoren resultiert aus den spezifischen Rahmenbedingungen innerhalb eines Krankenhauses. Sie trägt außerdem der Tatsache Rechnung, dass sich zukünftig (bedingt durch Liegezeitverkürzungen u.a.m.) Zeiten des Sterbens (wieder) mehr aus den Krankenhäusern hinausverlagern werden. Das hat auch Konsequenzen, für die Zusammenarbeit von „Klinikern“ aller Professionen mit den „ambulant“ Tätigen aller Professionen. Resultate: Fokussierend auf „Teamarbeit und Kommunikation“ zeigt sich u.a. – was im Vortrag konkret dargestellt und analysiert werden wird – dass die Bereitschaft zur Begleitung sterbender Menschen bei Gemeindepastoren hoch ist, ihr Vollzug im Alltag aber oft schwierig. Die Kenntnis über palliativ-hospizliche Initiativen und Institutionen vor Ort ist insgesamt gut, die Zusammenarbeit und Vernetzung gering. Ärzte, Pflegende, Patienten und Angehöre zeigen einerseits hohe Erwartungen, andererseits auch eine gewisse Zurückhaltung bei der Seelsorge-Nachfrage und der Zusammenarbeit mit Gemeindepastoren. Diese wiederum agieren ihrerseits zurückhaltend, „ihre“ Sache und ihre Zusammenarbeit anzubieten. Schlussfolgerung: Zur Verbesserung der Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Gemeindepastoren und anderen Professionen zeigt sich Handlungsbedarf auf verschiedenen Ebenen: 1. Im Blick auf das Berufsbild „Gemeindepastor“ und die Organisation kirchlich-seelsorgerischer Arbeit, gerade auch vor dem Hintergrund aktueller politischer Entwicklungen in der Palliativ- und Hospizversorgung. 2. Im Blick auf die Vermittlung, was „Seelsorge“ im 21. Jahrhundert leistet bzw. leisten kann. 3. Im Blick auf Netzwerke bzw. Strukturen der Zusammenarbeit konkret vor Ort und die Beteiligung von Gemeindepastoren in dieser Arbeit.