Zeitschrift für Palliativmedizin 2006; 7 - V6_8
DOI: 10.1055/s-2006-954112

Transkulturelle Kommunikation

N Kohnen 1
  • 1Institut für Geschichte der Medizin, Universität Düsseldorf

Jeder Patient ist ein Informant, doch nicht jeder Informant ist ein guter Informant. Ob er gut ist, liegt am Untersucher und wie er es versteht, den Denk- und Erlebenshorizont des Informanten zu eröffnen und zu erfahren. So wird bei der Untersuchung ausländischer Patienten eine transkulturelle Kompetenz gefordert. Deutsche Ärzte haben aus ihrer soziokulturellen Sicht eine Vorstellung welche Schmerzäußerungen und welche Schmerzbewältigungen angebracht und welche unangemessen sind. Ihre Erfahrungen beziehen sich in der Regel aber nur auf eine Ethnie, nämlich die eigene Bevölkerung. Diese einseitige Sicht kann zu Verständigungsschwierigkeit und Fehlurteilen bei der Behandlung ausländischer Patienten führen. Einige kulturelle Eigenheiten sollten vor der transkulturellen Kommunikation bekannt sein. Beispiel Schmerz: Jede Kultur hat innerhalb ihrer eigenen Werte und Normen Schmerzbewältigungsstrategien entwickelt: Iren ziehen sich zurück, weil es unfein ist, Schmerz zu äußern; Nordamerikaner suchen so früh wie möglich den Arzt auf, schildern ihm die Beschwerden ohne emotionale Regung, damit er sofort eine rationale Behandlung einleiten kann; Juden erdulden den Schmerz, weil Gott ihnen so ein Zeichen geben will; Italiener äußern Schmerzen laut und deutlich, damit ihnen die familiäre Anteilnahme zukommt, Philippinos fügen sich fatalistisch und vermeiden so jeden weiteren Stress. Wir unterscheiden in individualorientierte (Deutsche, Briten, Iren, Nordeuropäer und Nordamerikaner) und familienorientierte Gesellschaften (Italiener, Türken, Mittelmeervölker, Asiaten). Familienorientierte Gesellschaften sind überzeugt, Krankheit und Schmerz nur mithilfe der Familie bewältigen zu können. Patienten werden notwendigerweise von vielen Angehörigen begleitet. Sie haben eine hohe externale Kontrollüberzeugung, während Patienten aus individualorientierten Gesellschaften überzeugt sind, sich selbst helfen zu können, indem sie (der Vernunft folgend) fachärztlichen Rat einholen. Verweigern der erlernten kulturellen Bewältigungsstrategien führt zu Hilflosigkeit, Verzweiflung, zu erhöhtem Stress und damit zu größerer Schmerzempfindlichkeit. Transkulturelle Kommunikation ereignet sich im Zuhören, Erfassen und Erlernen andersartiger (wenn auch laienhafter) Erklärungsweisen von Krankheit und Schmerz.