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DOI: 10.1055/s-2006-954110
Kommunikation mit Kommunikationsbeeinträchtigten Patienten: Agonie
Drei Menschen sitzen am Bett des sterbenden Patienten; in gebührlichem Abstand. Sie schauen zu ihm hin – Schweigen, Warten. Der Patient atmet schwer und laut, manchmal lässt der nächste Atemzug auf sich warten. Eine typische Situation: Sorgenvoll, ängstlich und ohnmächtig beobachten die Umstehenden, Angehörige, aber oft auch das Personal das Sterben. Eine Kontaktaufnahme scheint nicht mehr möglich. Keine Frage bekommt eine Antwort: Was erlebt der Patient gerade? Erlebt er überhaupt etwas? Hat er Angst, hat er Schmerzen? Was braucht er von denen, die da sind – oder die nicht da sind? Die lange geglaubte Ansicht, Menschen in Koma und Agonie bekommen nichts von ihrer Umgebung mit, sind sozusagen „bewusstlos“, ist heute nicht mehr haltbar. Auch wenn die aus dem Alltag gewohnten und in ihrem Inhalt und ihrer Bedeutung bekannten Kommunikationsformen (Sprache, Gestik, Mimik) in der Agonie nicht möglich sind, so hat nicht nur die prozessorientierte Psychologie A. Mindells gezeigt, dass es noch andere Wege gibt, mit Menschen in diesen Zuständen in Verbindung zu treten. Dabei ist es wichtig, zu erkennen, dass der Mensch in Koma und Agonie für seine Selbstäußerung einen eigenen, primär körpervermittelten Kommunikationscode verwendet, um sich mitzuteilen. Dieser ist in seinem Inhalt und seiner Bedeutung meist nicht eindeutig zu entschlüsseln. Doch reicht es oft aus, wahrzunehmen, DASS eine Äußerung des Anderen geschieht, um mit ihm oder ihr in einen dialogischen Prozess einzutreten. Dieser kann den Sterbenden unterstützen, seinen ureigenen Weg der Vollendung seines Lebens im Sterben zu finden. Menschen in veränderten Bewusstseinszuständen erleben die Wirklichkeit nicht so sehr nach den rationalen Kategorien von „richtig“ und „falsch“, sondern in der emotionalen Qualität des Mitgeteilten: Stimmigkeit, Sicherheit oder Bedrohung sowie Wahrhaftigkeit und Authentizität (emotionales Bewusstsein). Dies ist bei der Kommunikation zu berücksichtigen. Und nicht zuletzt hilft die Kommunikation auch denen, die dabei sind, die eigene Ohnmacht zu überwinden und auch das Sterben als einen Teil des gemeinsamen Lebens zu erleben. Es werden verschiedene Kanäle für die Kommunikation mit bewusstseinsveränderten Menschen anhand der aktuellen Forschung diskutiert. Mit Fallbeispielen werden Methoden und Haltungen vorgestellt, die eine offene Kommunikation möglich machen. Dazu gehört auch die spirituelle Dimension.