Zeitschrift für Palliativmedizin 2006; 7 - V6_1
DOI: 10.1055/s-2006-954105

„Das müssen wir noch besprechen – Lust und Last palliativer Übergabe“

M Kern 1, K Aurnhammer 2
  • 1Malteser Krankenhaus Bonn Hardtberg
  • 2St. Elisabeth Krankenhaus Völklingen

Übergabe im herkömmlichen Sinn meint die Weitergabe wichtiger Informationen des einen Dienstes an den nachfolgenden. Als Instrumente stehen das Übergabegespräch und die Möglichkeit, im jeweiligen Dokumentationssystem der Einrichtung Informationen schriftlich zu fixieren, zur Verfügung. Daneben haben sich in den letzen Jahren besonders im Bereich der Pflege besondere Formen, wie z.B. die Übergabe am Patientenbett, entwickelt. In allen Formen steht die Informationsweitergabe im Mittelpunkt. Im Bereich von Palliativmedizin und Hospizarbeit geht es jedoch um mehr: die Übergabe ist nicht nur Methode, sondern der Ort, an dem komplexe Sachverhalte oft multidisziplinär besprochen werden. Dies geschieht teilweise in komprimierter Form, oder auch in ausführlicherem Gespräch. In der palliativen Übergabe spiegelt sich der ganzheitliche Ansatz der Palliativmedizin wider: physische, psychische, soziale und spirituelle Anteile stehen gleichberechtigt, aber in immer neuen individuellen Gewichtungen nebeneinander. Es geht darum, die aktuelle individuelle Situation des Patienten aus verschiedenen Blickrichtungen heraus zu erfassen und ein abgestimmtes Gesamtkonzept zu erstellen. Statt einfacher Kausalzusammenhänge werden systemische Zusammenhänge und vielschichtige Wechselwirkungen erkannt und bei der weiteren Planung berücksichtigt. Statt linearer werden häufig zirkuläre Denk- und Lösungsmuster gesucht und angewandt. In der Realität palliativer Übergaben lassen sich diverse Störfelder identifizieren, die die Übergabe zur Last werden lassen: die Konzentrationsminderung der Teilnehmer am Ende eines Dienstes, die Schwierigkeit, zwischen linearem und zirkulärem Denken hin- und herzuschalten, das Problem, die Komplexität der individuellen Patientensituation zu erfassen, Rollenkonflikte im Team, Zeitdruck, diverse Störungen (Telefon, Klingel ...). Hilfreich ist ein strukturiertes, abgestimmtes und von allen Beteiligten mitgetragenes Konzept für Inhalt und Ablauf einer palliativen Übergabe. Dieses Konzept erfüllt zwei Aufgaben: Es gibt der Übergabe eine klare nachvollziehbare Form, schafft aber zugleich den Freiraum für das gemeinsame zirkuläre und systemische Überlegen. Insgesamt erfordert die palliative Übergabe von den Teilnehmern Konzentration, Disziplin, gegenseitige Achtung und ein tiefes Verständnis palliativer Denkmuster.