Zeitschrift für Palliativmedizin 2006; 7 - V5_4
DOI: 10.1055/s-2006-954100

Macht und Verantwortung im Team

M Herrmann 1
  • 1Herrmann&Associates, München

Das Wort Macht löst bei den meisten Menschen negative Assoziationen aus und sie erleben sich selbst nicht als machtvoll, vielmehr wird Macht nach außen auf andere Menschen projeziert. Gleichzeitig finden sich Machtdynamiken in jeder menschlichen Beziehung und jeder Kommunikation. Die offene Reflektion dieser Machtdynamiken ist aber tabuisiert, was in vielen Fällen bewusste und verantwortliche Veränderung verhindert. Im palliativen Kontext treten die normalen Dynamiken menschlicher Kommunikation in teilweise massiv verstärkter Form auf. Zum Beispiel kommen die normalerweise verdeckten Machtdynamiken einer Familie in der letzten Lebensphase eines Familienmitglieds in manchmal explosiver Art an die Oberfläche. Gleichzeitig gibt es eine verstärkte Erwartung aneinander nicht an Machtdynamiken teilzunehmen, was die Reflektierbarkeit der tatsächlichen permanenten Beteiligung an Machtdynamiken in jeder kommunikativen Situation zusätzlich erschwert. Einen Zugang zum Thema Macht kann das Verständnis für die wesentlichen Machtdynamiken schaffen. Einschließen und ausschließen: Wer gehört zum Team, wer nicht? Wer gehört zum Kernteam, wer nicht? Mit wem wird was besprochen? Was wird mit dem Patienten besprochen, was nicht? Die Führung übernehmen: Wer führt Besprechungen? Wer sagt viel, wer ist eher still? Kategorisierung: Wie kategorisieren wir wen? Wie gewinnen wir einander den eigenen Kategorisierungen zu zustimmen, verhindern sich auf die Besonderheiten einer Situation einzustellen und mit ihr umzugehen? Phantasie und Gerede: Welche Phantasien entstehen wenn wir nicht beteiligt sind? Wie wird aus Phantasie eine „wahre“ Geschichte? Wie schaffen wir und beteiligen wir uns an Gerede? Natürlich kann man mehr Machtdynamiken unterscheiden, die oben Beschriebenen geben aber einen zuverlässigen und ausreichenden Einstieg in das Thema. Verantwortung bedeutet sich einer Situation mit seinem ganzen Sein zu öffnen, in sie hineinzuhören und damit erst antwortfähig zu werden. Dabei geht es auch darum, tabuisierte und zugedeckte Bereiche wahrnehmbar und reflektierbar zu machen. Zusammengenommen bedeutet das: Machtdynamiken im Team, in der Institution, in der Arbeit mit den Patienten und ihren Familien, mit Netzwerkpartnern wahrnehmbarer und reflektierbarer zu machen ist eine der großen Lernfelder und Aufgaben um eine größere Antwortfähigkeit zu erreichen und damit die Qualität der Arbeit eines Teams im Palliativkontext zu erhöhen.