Zeitschrift für Palliativmedizin 2006; 7 - V4_12
DOI: 10.1055/s-2006-954096

Erwartung und Realität in der Seelsorge

T Hagen 1
  • 1Interdiszplinäres Zentrum für Palliativmedizin, Erzdiözese München und Freising

Seelsorge ist im Krankenhaus eine Realität und sieht sich unterschiedlichsten Erwartungen ausgesetzt. Beiden großen Kirchen liegt die Sorge um den kranken Menschen am Herzen. So stellen sie dies auch in das Zentrum ihrer Pastoral, denn die Kranken zu besuchen ist – wie Jesus sagt – eines der sieben Werke der Barmherzigkeit. Dass sich Seelsorge als subjektzentrierte Seelsorge versteht, ist die Konsequenz einer biblisch-theologischen Fundierung. Wie sich die Theologie immer fortentwickelt – man denke nur an den Wandel im Verständnis des Sakraments der letzten Ölung hin zur Krankensalbung – so haben sich auch die Bedürfnisse des Patienten und das Selbstverständnis des gesamten Medizinbetriebes stark verändert. Deutlich wird dies an der systemischen Einbindung der Seelsorge im Palliativbereich. Mit geprägt von diesen Erfahrungen wird die Struktur, das Organigramm, eines jeden Krankenhauses auf den Prüfstand gestellt, ob diesbezüglich nicht neben Medizin, Pflege und Verwaltung als vierte Säule die psychosozialen Dienste und die Seelsorge hinzu kommen müssten. Denn Seelsorge als fester Bestandteil des Behandlungsteams ist eine neue Realität, die Fragen aufwirft, wie z.B. die Dokumentationspflicht in den Krankenakten. Die Wiedergabe einer Situation mithilfe von Zahlen stellt für die klinische Seelsorge ein Lernfeld dar. Seit 2004 dokumentiert z.B. das gesamte Seelsorgeteam im Klinikum Großhadern alle Einsätze. Daraus geht z.B. hervor, dass die Seelsorge bei 46% aller Sterbenden oder bereits Verstorbenen – auch als Ansprechpartner für die Hinterbliebenen – dazugeholt wurde. Hier zeigt sich zudem die Erwartung des Hauses, dass Seelsorge in diesen Grenzsituationen präsent ist. So ist sicher die 24-stündige Erreichbarkeit des Seelsorgeteams ein besonderes Qualitätsmerkmal. Was aber erwarten die Patienten von der Seelsorge? Eine Untersuchung in der Klinik Königsfeld z.B. ergab interessante Details: 51% der Patienten erwarten, dass Seelsorge zum Angebot eines Krankenhauses dazugehöre. Als deren Hauptaufgabe sehen sie das Zuhören und das Reden über Sterben und Angst. Diese Aussage ändert sich dann, wenn Seelsorger in eine akute Situation geholt werden, da in diesem Fall der rituelle Bereich an Bedeutung gewinnt, wie die Daten aus unserer Erhebung zeigen. Das miteinander Feiern ist ein wichtiger Punkt in der spirituellen Begleitung, deren Basis das Wahrnehmen der Situation des Kranken ist. Und diese Wahrnehmung ist die Aufgabe aller im Team, denn es muss das gemeinsame Ziel sein, dem Patienten Wege zum Heil zu zeigen, auch wenn eine körperliche Heilung nicht mehr möglich ist.