Zeitschrift für Palliativmedizin 2006; 7 - V7
DOI: 10.1055/s-2006-954060

Was ist evidenz-basiert in der Palliativmedizin?

C Bausewein 1
  • 1Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin, Klinikum der Universität München

Seit Mitte der 90er Jahre spielt evidenz-basierte Medizin in den Diskussionen um die besten Behandlungsformen eine große Rolle. Die Wirksamkeit einer Therapie gilt nur dann als nachgewiesen, wenn in entsprechenden Studien eine ausreichende Evidenz gezeigt wurde. Zur Bewältigung der Fülle der zur Verfügung stehenden Informationen bieten systematische Reviews die Möglichkeit, Informationen zu bündeln und einzelne Fragestellungen kritisch zu bewerten. Auch in der Palliativmedizin haben die Patienten ein Recht auf die bestmögliche Behandlung. Die Evidenz ist aber in vielen Bereichen der Symptomkontrolle und Palliativbetreuung noch spärlich und unser Handeln häufig eher empirisch begründet. Der Mangel an Evidenz in der Palliativmedizin hat viele Gründe: zunächst ist die Palliativmedizin noch ein relativ junges Fach. In den ersten Jahren standen die Etablierung von Einrichtungen und die Steigerung der Akzeptanz in Gesellschaft und Politik im Vordergrund. Forschung hat erst in den letzen Jahren deutlich zugenommen. Darüber hinaus sind Palliativpatienten eine sehr vulnerable Gruppe. Oft wird fälschlicherweise angenommen, dass Forschung bei diesen Patienten in der letzten Lebensphase unethisch ist. Randomisiert kontrollierte Studien gelten als der Goldstandard um Evidenz nachzuweisen, sind aber in der Palliativmedizin oft nur unter erschwerten Bedingungen möglich, z.B. wegen der kurzen Lebensdauer der Patienten, multipler Komorbiditäten oder hoher Ausfallraten. Trotzdem gibt es in der Zwischenzeit eine Reihe sehr guter randomisierter Studien sowohl aus dem Bereich der Symptomkontrolle als auch zu psychosozialen und organisatorischen Fragen. So gibt es z.B. gute Evidenz für den Einsatz von Opioiden bei Atemnot, aber nur wenig Evidenz für die WHO-Stufe 2 in der Schmerztherapie. Zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen gibt es keine Evidenz für den differenzierten Einsatz von Antiemetika, wohingegen es für den Einsatz von Steroiden bei gastrointestinaler Obstruktion einen Trend für Evidenz gibt. Für palliativmedizinische Konsiliardienste sowohl im stationären als auch ambulanten Bereich gibt es gute Evidenz dafür, dass die Symptomkontrolle verbessert und die Zufriedenheit der Patienten mit der Betreuung erhöht wird. Kommunikationstrainings zeigen eine gute Evidenz zur Verbesserung der Gesprächsführung, wobei für den Erhalt der erworbenen Fähigkeiten zusätzliche Angebote notwendig sind. Auch wenn es für manche Bereiche in der Palliativmedizin ausreichende Evidenz gibt, sind weitere Studien und systematische Reviews notwendig.