Zentralbl Chir 2006; 131(5): 437
DOI: 10.1055/s-2006-951596
Rechtliches - Urteile und Hintergründe

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Rechtliches - Urteile und Hintergründe

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Publication Date:
06 November 2006 (online)

Verwertbarkeit von Sachverständigengutachten bei Delegation an anderen Arzt

Quelle: Beschluss des Bundessozialgerichts vom 15.07.2004 Az.: B 9V 24/03 B

Leitsatz

Ein Sachverständigengutachten kann bei Fehlen der nach § 407a II S.2 ZPO erforderlichen Angaben (Name und Qualifikation des mitarbeitenden Arztes sowie Umfang der Mitarbeit) unverwertbar sein, wenn das Gericht einen auf entsprechende Information gerichteten Antrag eines Beteiligten übergeht, der ein berechtigtes Interesse an diesen Angaben hat.

Sachverhalt

Das Landessozialgericht hatte in einem Rechtstreit auf den Sachverständigen Prof. Dr. S. übertragen, der den Auftrag an die Ärztin Dr. Ku. delegierte, welche das Gutachten erstellte und unterzeichnete. Prof. Dr. S. unterzeichnete das Gutachten gleichfalls mit dem Vermerk „Einverstanden aufgrund eigener Urteilsbildung“. Zuvor hatte aber der Klägervertreter beantragt, dem Sachverständigen aufzugeben, Angaben über Name und Qualifikation der von ihm beauftragen Ärztin zu machen, was unterblieben war. Dies führte zur Unverwertbarkeit des erstellten Gutachtens.

Rechtliche Würdigung

Nach Ansicht des BSG (Bundessozialgericht) durfte das LSG (Landessozialgericht) dieses Gutachten nicht verwerten, ohne vorher den Umfang der Mitarbeit und die Qualifikation der Ärztin Dr. Ku. zu klären. Nach der hierzu einschlägigen Vorschrift des § 407a I 1 ZPO ist der Sachverständige grundsätzlich nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen. Soweit er sich der Mitarbeit anderer Personen bedient, hat er diese namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben, falls es sich nicht um Hilfsdienste untergeordneter Bedeutung handelt. Zwar führt die Mitarbeit eines anderen Arztes bei der Erfüllung des Gutachtenauftrages für sich allein genommen noch nicht zu einer Unverwertbarkeit des Gutachtens, da § 407a II 2 (letzter Halbsatz) ZPO dem Sachverständigen erlaubt, sich zur Erledigung des Gutachtenauftrages anderer Personen - auch anderer Ärzte - zu bedienen. Seine uneingeschränkte persönliche Verantwortung für das Gutachten erklärt der beauftragte Sachverständige durch seine Unterschrift mit dem sinngemäßen Zusatz, er habe die Arbeit seines qualifizierten Mitarbeiters selbst nachvollzogen und sich zu Eigen gemacht, er sei auf Grund eigener Überzeugung und Urteilsbildung einverstanden. Erst dann, wenn aus Art und Umfang der Mitarbeit des weiteren Arztes gefolgert werden kann, der beauftragte Sachverständige habe seine - das Gutachten prägenden und in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringenden - Zentralaufgaben delegiert, ist die Grenze der erlaubten Mitarbeit überschritten, liegt folglich ein unverwertbares Gutachten vor.

Das Gebot der Anzeige der Heranziehung von Hilfspersonen für nicht nur untergeordnete Tätigkeiten soll eine verdeckte Übertragung von Aufgaben in unerlaubtem Maße verhindern; den Beteiligten soll die Möglichkeit eröffnet werden nachzuvollziehen, an wen und in welchem Umfang Aufgaben delegiert worden sind, damit sie die Einhaltung der oben beschriebenen Grenzen überprüfen können. Zugleich sollen die Beteiligten die Möglichkeit erhalten, Einwendungen gegen Person und Sachkunde des Mitarbeiters vorzubringen. Ein berechtigtes Interesse des Beteiligten an einer gesonderten Auskunft über Identität, Qualifikation und Umfang der Tätigkeit des Mitarbeiters ist immer dann anzunehmen, wenn die ihm zugänglichen Informationen objektiv nicht darauf schließen lassen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein weiterer Arzt an der Erstellung eines Sachverständigengutachtens mitgearbeitet hat und über welche Qualifikation dieser verfügt. Besonders gilt dies bei einem Sachverständigengutachten nach Aktenlage, bei dem sich der Beteiligte kein eigenes Bild von dem mitarbeitenden Arzt machen kann. War zudem gemäß § 109 SGG ein bestimmter Sachverständiger wegen seiner besonderen Kompetenz als Arzt des Vertrauens benannt worden, ist es umso dringender erforderlich, Fragen zur Tätigkeit des anderen Arztes nachzugehen, um überprüfen zu können, ob die Grenze der erlaubten Mitarbeit überschritten ist. Liegt also ein berechtigtes Interesse des Beteiligten an den angesprochenen Informationen vor, folgt für das Gutachten ein Verwertungsverbot nur dann, wenn der betreffende Beteiligte die Anforderung der Informationen beantragt hat und das Gericht dies übergangen oder abschlägig beschieden hat.

Da dies dem beauftragten Gutachter bei Erteilung des Auftrages unbekannt ist, sollten vorbeugend bei beabsichtigter Zuziehung von ärztlichen Mitarbeitern zur Gutachtenserstellung die erforderlichen Angaben, wie Name des Mitarbeiters, dessen Qualifikation und beabsichtigter Umfang der Mitarbeit, zuvor dem Gericht und damit auch den Beteiligten mitgeteilt werden.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Prof. h. c. A. Thiede

Direktor der Chirurgischen Klinik und Poliklinik Würzburg (ZOM)

Oberdürrbacherstr. 6

97080 Würzburg

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