Zeitschrift für Phytotherapie 2006; 27(4): 195-196
DOI: 10.1055/s-2006-951593
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Interview
© Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Interview - »In meiner Praxis setze ich immer häufiger Medizinalpilze ein«

Andreas Kappl
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Publication Date:
07 December 2006 (online)

ZPT:

Herr Dr. Kappl, Sie haben eine Hausarztpraxis in Bayern, genauer gesagt in der Oberpfalz. Sind Sie ein typischer Hausarzt?

Andreas Kappl:

Meine Tätigkeit in der Kassenmedizin habe ich vor zehn Jahren als Hausarzt klassischer Prägung begonnen. Im Laufe der Zeit haben die Naturheilverfahren in meiner Praxis dann einen immer größeren Stellenwert eingenommen. Vor allem die Akupunktur und die Applied Kinesiology - kurz AK - gehören heute zu meinem alltäglichen Leistungsangebot. Aber um Missverständnissen vorzubeugen: Ich arbeite nicht ausschließlich naturheilkundlich, ich kombiniere die schulmedizinische Behandlung mit verschiedenen naturheilkundlichen Therapien.

ZPT:

Verlassen Sie sich auf Ihre AK-Diagnosen?

Andreas Kappl:

Die AK wende ich nun seit etwa sieben Jahren an. In dieser Zeit konnte ich mich selbst ausreichend von der Aussagefähigkeit der Methode überzeugen. Viele schwer zu diagnostizierende Probleme können mit der AK aufgedeckt werden. Für mich ist die AK wirklich unverzichtbar geworden. Aber gerade die Kombination der verschiedenen Diagnostikmethoden und Therapien sehe ich als großen Vorteil. Wenn man zum Beispiel Tumorpatienten behandelt, ist es meiner Meinung nach wichtig, über den Immunstatus Bescheid zu wissen. Dies kann ich nur laborchemisch bestimmen. Wenn es dagegen darum geht, das individuell passende, auf den Patienten abgestimmte Therapeutikum auszusuchen, einen Medizinalpilz oder eine orthomolekulare Substanz, dann ist neben anderen biologischen Testverfahren die AK für mich ein unschlagbares Instrument.

Abb. 1 Ganoderma lucidum, der Glänzende Lackporling, wird u.a. bei Tumor-Erkrankungen und Allergien gegeben; untersucht wurden definierte Polysaccharidfraktionen

ZPT:

Wie sind Sie zu den Medizinalpilzen gekommen?

Andreas Kappl:

Durch Zufall bin ich auf ein amerikanisches Standardwerk über Medizinalpilze gestoßen. Besonders fasziniert haben mich dabei die Wirkungsweisen der Medizinalpilze bei Tumorerkrankungen. Als wissenschaftlicher Arzt war es dabei sehr wichtig für mich, dass die Wirksamkeit der Pilze in vielen Studien nachgewiesen werden konnte.

ZPT:

Und welche Erfahrungen haben Sie mit den Pilzen gemacht?

Andreas Kappl:

Die meisten Erfahrungen habe ich bei Tumorpatienten und abwehrgeschwächten Patienten gemacht. Hier haben sich entsprechend meiner AK-Diagnostik vier Medizinalpilze als besonders gut geeignet herausgestellt: Agaricus blazei, Ganoderma lucidum, Trametes versicolor und Grifola frondosa. Diese wende ich mittlerweile in einer festen Mischung1 an. Werden diese Pilze beispielsweise parallel zu einer Chemotherapie angewandt, erholen sich die Patienten erheblich schneller. Dies ist am Allgemeinzustand deutlich sichtbar. Aber auch laborchemisch kann man diesen Effekt nachweisen. Beispielsweise kommt es zu einem schnelleren Anstieg der Leukozyten nach dem durch die Chemotherapie induzierten Abfall. Insgesamt sind auch die Nebenwirkungen dieser Therapie deutlich gemindert.

Ein anderes Beispiel betrifft Patienten mit häufig wiederkehrenden Infekten. Sie sind nach der Gabe von Medizinalpilzen deutlich stabiler. Auch meiner eigenen Erfahrung nach sind die erwähnten Pilze in Zeiten erhöhter Ansteckungsfähigkeit sehr gut zur Vorbeugung geeignet.

Ein drittes Beispiel sind Patienten mit Erschöpfungssyndromen oder auch Hormonmangelsyndromen. Bei ihnen verwende ich gerne Cordyceps sinensis. Es hat sich bewährt, diesen Pilz mit anderen Substanzen wie Ginseng zu kombinieren. Bei vielen Patientinnen konnte ich mit diesem Pilz klimakterische Beschwerden erheblich verbessern, sodass eine Hormonsubstitutionsbehandlung nicht nötig war.

Abb. 2 Grifola frondosa, der Klapperschwamm, ist sowohl Speise- als auch Medizinalpilz

ZPT:

Gibt es Ihrer Erfahrung nach weitere typische Indikationen für den Einsatz von Medizinalpilzen in der Hausarztpraxis?

Andreas Kappl:

Studien bringen immer mehr Ergebnisse, die Indikationen nehmen zu. Und so setze ich auch die Medizinalpilze immer häufiger ein. Besonders bei arterieller Hypertonie und Diabetes mellitus kann ich über gute Erfahrungen berichten. Diese Krankheiten lassen sich positiv beeinflussen, Medikamente können oft reduziert werden. Meiner Erfahrung nach sind die Pilze aber nicht in der Lage, die klassische Therapie zu ersetzen, aber sie wirken unterstützend. Bei entsprechender Disposition kann man auch präventiv mit den Pilzen behandeln. Bei beiden Erkrankungen verwende ich Grifola frondosa und Ganoderma lucidum. Übrigens lassen sich auch Allergien mit Ganoderma lucidum positiv beeinflussen. Dieser Pilz stellt eine Säule meiner Allergiebehandlung dar.

ZPT:

Und wo sehen Sie die Grenzen der Pilze?

Andreas Kappl:

Wegen der immunmodulatorischen Wirkungen der Medizinalpilze sehe ich diese als relative Kontraindikation bei Autoimmunerkrankungen.

ZPT:

Patienten mit chronischen Krankheiten sind gerne auf der Suche nach einer lebensrettenden Wundermedizin. Wie kommen Sie mit dieser Situation zurecht?

Andreas Kappl:

Naturheilmedizin und insbesondere die Medizinalpilze stellen nur einen Baustein in der Behandlung von chronischen Erkrankungen dar. Oft werden übertriebene Erwartungen in bestimmte Behandlungsformen gesetzt. Man muss den Patienten deutlich machen, dass Wunder von einer bestimmten Therapie eben nicht zu erwarten sind. Allerdings haben viele komplementäre Therapieformen - und dazu rechne ich die Medizinalpilze - für mich so erheblichen therapeutischen Nutzen, dass ich nur sehr ungern auf sie verzichten möchte.

Das Interview führte Ruth Auschra.

Dr. med. Andreas Kappl

niedergelassen in einer Gemeinschaftspraxis in Wackersdorf.

Email: Andreas.Kappl@t-online.de

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