Psychopathologie wird für das Konsultationsverhalten von Patienten mit funktionellen Magen-Darm-Störungen, nicht jedoch für die Symptome selbst verantwortlich gemacht. Eine Psychotherapie hat kurzfristige Effekte auf die Lebensqualität, es ist jedoch nicht bekannt, ob die Patienten davon langfristig profitieren.
Methoden: 85 Patienten (49,1 Jahre, 24:61 Männer:Frauen) mit der Diagnose “funktionelle Dyspepsie“ (ICD-10 F.45.31, n=13) oder “Reizdarm-Syndrom“ (ICD-10 F.45.32, n=40) oder beides (n=32) waren im Jahr 1999 in der Gastroenterologischen Ambulanz des Universitätsklinikums Heidelberg diagnostiziert worden; 16 dieser Patienten (19%) hatten das Angebot einer 10-stündigen supportiv-edukativen Psychotherapie (PT) in Anspruch genommen. 48 (56%, 35:13 F:M) antworteten auf eine schriftliche Befragung nach aktuellen somatischen und psychischen Beschwerden im Jahr 2005, darunter 11 (68%, 7:4 F:M) der psychotherapeutisch behandelten Patienten.
Ergebnisse:
1) Sechs Jahre nach der Erstuntersuchung lag die durchschnittliche Symptomschwere (Summe der GI Symptome auf einer 11-Item-Skale) bei 14,9±1,2 (Mittelwert±SEM) im Vergleich zu 15.9±1,1 Punkten bei Erstdiagnose (n.s.), und es fand sich kein Unterschied zwischen Patienten mit (16.7±3,2) und ohne PT (14.4±1,3) (n.s.).
2) Im Gegensatz dazu waren in der Katamnese die psychischen Beschwerden signifikant (p<.005) reduziert: Angst von 17.3±0,4 auf 8.5±0,7 und Depression von 16,9±0,4 auf 6,8±0,6 Punkte in der Hospital Anxiety-Depression Scale (HADS), allgemeine Somatierung von 40.8±2,4 auf 34.4±2,6 Punkte im Gießener Beschwerdebogen (GBB total), sowie auf vielen Subskalen des Inventars für Interpersonelle Probleme (IIP).
3) Wiederum fand sich kein signifikanter Unterschied auf eine der Skalen zwischen Patienten, die eine PT erhalten hatten und solchen, die das PT-Angabot nicht angenommen hatten.
Schlussfolgerung: Trotz annähernd gleichbleibender Symptomschwere ändert sich das psychische Befinden der Patienten signifikant im Verlauf von Jahren, unabhängig von der Erfahrung einer PT. Dies lässt den Schluss zu, dass die Psychopathologie zwar das Konsultationsverhalten bestimmen kann, dies aber nicht an die Erfahrung und Schwere somatischer Beschwerden gekoppelt sein muss.