Gesundheitswesen 2006; 68 - A106
DOI: 10.1055/s-2006-948662

Sozialmedizinische Bewertung von Medizinprodukten zur operativen Behandlung von Skoliosen am Beispiel von SMA und VEPTR

D Rohland 1
  • 1Medizinischer Dienst der Krankenkassen in Niedersachsen (MDKN), Hannover

Hintergrund: Skoliosen im Wachstumsalter, die einer operativen Behandlung bedürfen, sind relativ selten. Ein derartiger Eingriff erfordert jedoch neben der sicheren Indikationsstellung ein hohes Maß an operativer Erfahrung. Ab einem Krümmungsausmaß von ca. 45 Grad erfolgt zumeist die operative Korrektur und Stabilisierung. Alle herkömmlichen Techniken erzielen die Korrektur über eine Versteifung mit hieraus resultierender Beendigung des Längenwachstums der betroffenen Wirbelsäulenregion. Bei dem Verfahren der VEPTR (Vertical Expandable Prosthetic Titanium Rib) findet bei Kleinkindern und Kindern mit Skoliose in Kombination mit weiteren Fehlbildungen (u.a. Rippensynostosen) ein Titaniumimplantat als Rippenspreizer Verwendung, um hiermit die Wirbelsäule aufzurichten. Die einseitige Verklammerung der Wirbelkörper mit dem Spinal Staple System (SMA) soll zu einer „ Begradigung“ der Wirbelsäule führen. Ziel: Frühzeitige Bewertung des therapeutischen Nutzens der Verfahren, zeitnahe Information an Gutachter mit dem Ziel einer einheitlichen Begutachtung, Verfahrensanalyse auch als eine Grundlage für leistungsrechtliche Bewertungen. Methoden: Umfassende Literaturrecherche einschließlich Berücksichtigung von Herstellerangaben mit strukturierter Auswertung der aktuellen Datenlage und sozialmedizinischer Bewertung. Ergebnisse: Bezogen auf das Verfahren der VEPTR liegt lediglich eine Studie vor, die sich in der Indikation auf Kleinkinder mit Skoliose in Kombination mit multiplen Wirbelsäulenfehlbildungen (u.a. einseitige Rippenverblockungen) beschränkt. Für diese sehr seltenen Krankheitsbilder ist der Einsatz des Verfahrens begründbar. Dies gilt nicht für eine Indikationsausweitung auf Kinder mit Skoliose ohne Rippensynostosen. Bezüglich des „Spinal Staple Systems“ liegen eine tierexperimentelle Studie und zwei aufeinander aufbauende retrospektive Studien vor, die nicht geeignet sind, den therapeutischen Nutzen zu belegen. Diskussion: Die zeitnahe Aufarbeitung und sozialmedizinische Bewertung von sich neu im medizinischen Bereich einführenden Verfahren gewinnt zunehmend an Bedeutung. Dies resultiert einerseits aus einer zunehmenden Spezialisierung, anderseits aus einer wachsenden Komplexität medizinischer Fragestellungen. Die Gutachter werden insbesondere bei so genannten Neuen / Innovativen Verfahren oft erst regional mit bestimmten Fragen konfrontiert. Insbesondere, wenn lediglich eine ungenügende Datenlage für das zu beurteilende Verfahren vorliegt, ist das Fehlen von indikationsgerechten Behandlungsalternativen bei der Bewertung mit zu berücksichtigen. Schlussfolgerungen: Eine konsequente Verfahrensanalyse vor allgemeiner Verbreitung entspricht dem Auftrag der SEG hinsichtlich der Zielstellung einer Vereinheitlichung der Begutachtung. Des Weiteren können die Produkte Berücksichtigung für weitere leistungsrechtliche Fragestellungen finden wie der Zuordnung zu OPS-Codes und EBM- Ziffern. Die zeitnahe Bearbeitung gewinnt ebenso wie die geeignete Auswahl der Themen im Rahmen eines gesteuerten Prozesses an Bedeutung. Da die Gutachter mit einer Vielzahl von Bewertungen und Stellungnahmen konfrontiert werden, ist eine nutzerfreundliche Präsentation wichtig. Ebenso muss unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts eine angemessene Aktualisierung erfolgen.