Gesundheitswesen 2006; 68 - A82
DOI: 10.1055/s-2006-948638

Genderspezifische Zugangswege der Tabakindustrie sowie bei der Prävention des Tabakkonsums im Verlauf des 20. Jahrhunderts

R Lux 1, U Walter 1
  • 1Stiftungslehrstuhl Prävention und Rehabilitation in der System- und Versorgungsforschung, Abteilung Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische Hochschule Hannover

Hintergrund: Die Idee, zum Zwecke einer Prävention des Tabakkonsums geschlechterspezifische Rollenbilder aufzugreifen und nutzbar zu machen, wurde bereits im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts formuliert. Bereits zuvor gelang es der Tabakindustrie, sich die genderorientierte Perspektive mit einem marktstrategischen Ansinnen anzueignen und gewinnbringend umzusetzen. Ziel: Ziel ist eine chronologische Darstellung genderfokussierter Werbung seitens der Tabakindustrie und geschlechtersensibler Präventionsansätze vor dem Hintergrund medizinhistorischer Erkenntnisse. Das epocheabhängige Aktions-Reaktions-Muster zwischen industriell-wirtschaftlichem und wissenschaftlich-präventivem Interesse wird anhand einer Gegenüberstellung verdeutlicht. Methoden: Mittels systematisch-medizingeschichtlicher Literaturrecherche (Primär- bzw. Sekundärquellen) sowie Sammlung und Analyse der Anzeigen- bzw. Servicekultur der Zigarettenhersteller im vergangenen Jahrhundert wird ein engmaschiges Bild des genderbetreffenden Kontextes gezeichnet. Ergebnisse: Der Erfolg der Tabakindustrie und ihrer Werbestrategen im letzten Jahrhundert lag zu einem Großteil in der geschickten Besetzung medialer sowie emotionaler Zugangswege mit einem Höchstmaß an Genderspezifität begründet. Ihnen gelang bei beiden Geschlechtern die Assoziation mit gesellschaftspolitischen Vorgängen (Emanzipationsprozess, Wandel des Männerbildes). Den Präventionsbemühungen blieben zumeist der rationale und ökonomische Zugang zur Zielgruppe. Diskussion: Trotz konzeptioneller und finanzieller Überlegenheit der Zigarettenhersteller versucht Prävention, bislang nicht beanspruchte Möglichkeiten auf Genderbasis aufzugreifen und in praxisorientierte Initiativen zu integrieren. Erste Erfolge scheinen dieses Vorgehen positiv zu bestätigen. Schlussfolgerungen: Umfang und Art des Gebrauches von Tabak sind genderassoziiert, von gesellschaftlicher Entwicklung geprägt sowie industriell manipuliert. Heutige Präventionskonzepte berücksichtigen dies erst allmählich.