Gesundheitswesen 2006; 68 - A74
DOI: 10.1055/s-2006-948630

Qualität telefonischer Patientenberatung zu präventiven Gesundheitsthemen – Ergebnisse einer Hidden Client-Untersuchung bei Beratungsstellen der unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung nach § 65bSGBV, der gesetzlichen Krankenkassen und der Ärztekammern

V Kurtz 1, ML Dierks 1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Abt. Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung

Hintergrund: Qualitativ hochwertige Informationen rund um die Themen Gesundheit und Krankheit stärken das präventive, selbstbestimmte und eigenverantwortliche Handeln der Bürger, Versicherten und Patienten im Gesundheitswesen. Neben den niedergelassenen Ärzten stehen Ratsuchenden zu gesundheitsbezogenen Fragen verschiedene Institutionen der Patientenberatung und -information zur Verfügung. Ziel: Eine explorative Studie mit verdeckten Testnutzern, so genannten „Hidden Clients“, untersuchte die Beratungs- und Informationsqualität sowie die inhaltlichen Schwerpunktsetzungen „unabhängiger“ und „abhängiger“ Patientenberatungsinstitutionen zu präventiven Gesundheitsthemen. Methoden: Testnutzer kontaktierten telefonisch neun unabhängige Verbraucher- und Patientenberatungsstellen nach § 65b SGBV, zehn Hotlines bzw. Call-Center von gesetzlichen Krankenkassen und acht Beratungsstellen von Ärztekammern mit drei unterschiedlichen präventiven Fragen (FSME-Impfung, PSA-Test, Hormonersatztherapie). Aspekte der Struktur- und Prozessqualität der Beratungen sowie die kommunikativen Kompetenzen der Berater wurden protokolliert. Die Beratungsinhalte wurden in einem Wortprotokoll dokumentiert und mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Eine Bewertung der Informationsqualität erfolgte mittels Musterantworten auf der Basis externer Expertenbeurteilungen. Zur Auswertung wurden quantitative und qualitative Methoden herangezogen. Ergebnisse: In 73,1% der 78 Anfragen erhielten die Testanrufer tatsächlich eine Beratung, vor allem bei den Krankenkassen, die mit einem benötigten Anrufversuch auch am besten erreichbar waren. Die Mitarbeiter der Ärztekammern erklärten sich in knapp der Hälfte aller Anfragen nicht zuständig für die Thematik. Die Kompetenzen der Berater, insbesondere ihre Freundlichkeit, wurden überwiegend positiv beurteilt, allerdings erschienen Verhaltensweisen zur Strukturierung der Gesprächsabschlüsse verbesserungsbedürftig. In der inhaltsanalytischen Auswertung konnten die genannten Beratungsinhalte acht übergreifenden inhaltlichen Dimensionen zugeordnet werden. Die Berater aller Institutionen, vor allem der unabhängigen Stellen, agierten ganz im Sinne ihrer erklärten Ziele, eine selbständige Entscheidungsfindung der Ratsuchenden, z.B. durch die Nennung von Vor- und Nachteilen oder Handlungsalternativen, zu unterstützen. Darüber hinaus wurden in den drei Beratungsinstitutionen aber unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Die genannten Informationen waren in vielen Fällen unvollständig und zum Teil fehlerhaft, am ehesten erhielten die Testanrufer qualitativ hochwertige Informationen bei den gesetzlichen Krankenkassen (Anteil erreichte/maximal mögliche Punkte mit Punktabzug für falsche Antworten: Krankenkassen 39,6%; unabhängige Stellen 26,5%; Ärztekammern 25,8%). Diskussion: Optimierungsbedürftig sind insbesondere die Erreichbarkeit, Informationsqualität, Beraterkompetenzen und die Spezifizierung der untersuchten Beratungs- und Informationsangebote. Weitere Untersuchungen sollten die Qualität verschiedener Angebote der „unabhängigen“ und „abhängigen“ Patientenberatung, auch zu anderen Themen der Gesundheitsversorgung, prüfen, um ihre Stärken und Schwächen zu ermitteln. Schlussfolgerungen: Für individuelle präventive bzw. gesundheitsbezogene Fragen stehen Ratsuchenden verschiedene Institutionen der „unabhängigen“ und „abhängigen“ Patientenberatung zur Verfügung, deren Qualität allerdings an vielen Stellen ihrer Strukturen, Prozesse und Ergebnisse verbessert werden muss. Zukünftig sollte Nutzern der Zugang zu qualitativ hochwertigen Informationen rund um die Themen Prävention, Gesundheit, Krankheit und ihre Versorgung erleichtert werden, damit sie in einem selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Handeln unterstützt werden.