Gesundheitswesen 2006; 68 - A70
DOI: 10.1055/s-2006-948626

Verfahren der biomechanischen Stimulationstherapien – Vorbewertung zur Veranlassung von Beratungen im Gemeinsamen Bundesausschuss

F Kruse 1
  • 1Medizinischer der Spitzenverbände der Krankenkassen e.V. (MDS), Essen

Hintergrund: Gutachter des MDK wurden immer wieder aufgefordert, Einzelfallgutachten zur biomechanischen Stimulationstherapie zu erstellen. Der Hersteller eines Vibrationsgerätes beantragte die Aufnahme seines Produktes in das Hilfsmittel-Verzeichnis. Vor diesem Hintergrund erfolgte im Auftrag eines Spitzenverbandes der Krankenkassen eine erste systematische Aufarbeitung der medizinischen Erkenntnisse zu biomechanischen Vibrationstherapien. Ziel: Ermittlung des Ausmaßes der wissenschaftlichen Publikationen, ihrer Qualität und orientierende Bewertung der Ergebnisse mit der Frage, ob Beratungen in Gremien (z.B. der Gemeinsame Bundesausschuss) notwendig sind. Methoden: Literaturrecherche in der Datenbank Medline, systematische Bewertung der Abstracts und Bewertung der vom Hersteller vorgelegten Studien. Ergebnisse: Klinische Studien berichten über positive Ergebnisse einer gezielten Vibrationsanwendung. Jedoch sind die meisten Erkenntnisse an gesunden Probanden bzw. im sportwissenschaftlichen Bereich gewonnen worden. Es gibt vereinzelt Studien, die den Einsatz von Vibrationstherapien zur Beeinflussung von krankheitsbedingten Schädigungen der Körperfunktion und Körperstruktur untersuchen. Hierbei handelt es sich jedoch meist um nicht kontrollierte Studien bzw. um kleine kontrollierte Studien. Eine Aufnahme von Vibrationstherapiegeräten in das Hilfsmittel-Verzeichnis wurde nicht empfohlen, da der therapeutische Nutzen, gemessen an den Bewertungskriterien der Verfahrensrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses, nicht belegt erschien. Weiterhin handelt es sich im Kern um eine neue Behandlungsmethode, die durch den Gemeinsamen Bundesausschuss zu bewerten ist. Dem Spitzenverband wurde empfohlen, die Verfahren der biomechanischen Vibrationstherapien indikationsbezogen im Gemeinsamen Bundesausschuss als neue Behandlungsmethode beraten zu lassen. Diskussion: Die praktisch ausgerichtete sozialmedizinische Tätigkeit des Medizinischen Dienstes wird in der Regel über Einzelfälle sehr frühzeitig mit neuen therapeutischen Verfahren konfrontiert. Das vorgetragene Beispiel zeigt auf, dass neue therapeutische Verfahren sowohl über Einzelfallanträge als auch über andere Anträge (z.B. Antrag auf Aufnahme in das Hilfsmittel-Verzeichnis bzw. Anfragen zur generellen Erstattungsfähigkeit von Leistungen) zur Bewertung durch den MDK führen. Der vorgestellte Bearbeitungsweg verdeutlicht, dass unter Berücksichtigung evidenzbasierter Kriterien in angemessener Zeit eine erste einschätzende Bewertung von neuen Verfahren möglich ist mit dem Ziel, Beratungen in zuständigen Gremien zu veranlassen. Schlussfolgerung: Unter Nutzung der vernetzten Strukturen im MDK-System, hier der SEG 5 „Hilfsmittel und Medizinprodukte“, der frühzeitigen Zusammenführung von Einzelerkenntnissen sowie einer subtilen Recherche zu neuen Verfahren lassen sich belastbare Erkenntnisse in angemessener Zeit gewinnen. Auf diese Weise kann eine zeitgerechte Beratung in Entscheidungsgremien des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung eingeleitet werden. Dem MDK kommt diesbezüglich als Beratungs- und Begutachtungsorganisation für die GKV zwangsläufig eine zentrale Position zu, da die Abnehmer seiner Produkte (die Krankenkassen) unmittelbar in Entscheidungsgremien antragsberechtigt sind. Essentiell allerdings ist die konsequente Orientierung an vereinbarten und in Richtlinien festgelegten sozialmedizinischen Standards.