Gesundheitswesen 2006; 68 - A66
DOI: 10.1055/s-2006-948622

Determinanten des Bewegungs- und Ernährungsverhaltens bei Typ-2-Diabetikern: Psychologische Grundlagen für die Tertiärprävention

U Konerding 1, J Grempler 2, L von Ferber 1
  • 1Institut für Community Medicine, Universität Greifswald
  • 2Zentrum für Psychiatrie Weißenau, Abt. Versorgungsforschung, Universität Ulm

Hintergrund: In Deutschland leiden etwa 6 Millionen Menschen an Typ-2-Diabetes. Diese chronisch progrediente Erkrankung kann zu Erblinden, Fußamputationen, Nierenversagen, Herzinfarkt oder Schlaganfall führen. Das Risiko hierfür kann durch viel Bewegung und maßvolle Ernährung erheblich reduziert werden. Leider verhalten sich viele Patienten nicht entsprechend. Hier muss die Tertiärprävention zum Typ-2-Diabetes ansetzen. Zur Planung entsprechender Präventionsmaßnahmen sind Kenntnisse über die Verhaltensdeterminanten erforderlich. Ziel: Die Determinanten des Bewegungs- und Ernährungsverhaltens von Typ-2-Diabetikern sollen bestimmt werden. Methoden: In 23 Arztpraxen Vorpommerns wurde eine Panelstudie an Typ-2-Diabetikern im Alter von 40 bis 75 Jahren durchgeführt. Die Studie gliederte sich in zwei Teilstudien, die für jeden Patienten im Abstand von drei Monaten durchgeführt wurden. Jede Teilstudie besteht aus 1) einer Vorbefragung, 2) einer ärztlichen Beratung und 3) einer Nachbefragung. In beiden Vorbefragungen wurde das bisherige Verhalten erfasst, in allen Befragungen Verhaltensabsichten, -erwartungen und mögliche Determinanten des Verhaltens. Die möglichen Determinanten waren Einschätzungen von Hindernissen für das Verhalten sowie Bewertungen des Verhaltens unter den Aspekten 1) langfristige Entwicklung der Gesundheit, 2) unmittelbare Lebensfreude, 3) soziale Anerkennung, 4) eigenes Aussehen, 5) Fitness. An der ersten Vorbefragung nahmen 447 Personen teil. Für diese Personen wurde mit dem konditionalen Logitmodell untersucht, wie die möglichen Determinanten die Verhaltensabsichten und -erwartungen bestimmen. Ergebnisse: Bei der Bewegung werden für die Verhaltensabsicht die Prädiktoren „unmittelbare Lebensfreude“ und „Hindernisse“ signifikant, für die Verhaltenserwartung nur der Prädiktor „Hindernisse“. Bei der Ernährung werden für die Verhaltensabsicht die Prädiktoren „langfristige Entwicklung der Gesundheit“ und „soziale Anerkennung“ signifikant, für die Verhaltenserwartung nur der Prädiktor „soziale Anerkennung“. Diskussion: Die signifikanten Prädiktoren dürften im Wesentlichen die Variablen sein, an denen die Tertiärprävention ansetzen müsste. Schlussfolgerungen: Will man Typ-2-Diabetiker zu mehr Bewegung bringen, wird man mit ihnen nach Bewegungsarten suchen müssen, die ihnen Spaß machen und die sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten durchführen können. Um eine maßvolle Ernährung zu bewirken, ist es sinnvoll, ihnen die nachteiligen Auswirkungen übermäßiger Ernährung zu verdeutlichen und außerdem mithilfe ihrer nahen Bezugspersonen sozialen Druck in Richtung einer maßvollen Ernährung auszuüben.