Gesundheitswesen 2006; 68 - A38
DOI: 10.1055/s-2006-948594

Sozialmedizinische Bewertung des Einsatzes von Hüftprotektoren

G Fergenbauer 1
  • 1MDK in Hessen, SEG 5 „Hilfsmittel und Medizinprodukte“

Hintergrund: Durch die höhere Lebenserwartung der Bevölkerung tritt infolge physiologischer Abläufe oder auch als eigenständige Erkrankung die Osteoporose häufiger auf. Durch zusätzliche Altersveränderungen wie Visusminderung, Stand- und Gangunsicherheit, verringerte Koordinationsfähigkeit, Medikamentenwirkung und Änderung anderer Parameter nehmen im Alter – bei den dann häufiger auftretenden Stürzen – Frakturen allgemein, im Speziellen aber Schenkelhalsfrakturen zu. In diesem Rahmen stellt sich die Frage, ob durch die auf dem Markt angebotenen Hüftprotektoren sturzbedingte Schenkelhalsfrakturen verhindert werden können. Ziel: Liegen gesicherte Erkenntnisse vor, wann und in welchem Umfeld der Einsatz von Hüftprotektoren zu einem therapeutischen Nutzen führt? Methoden: Anhand umfassender Recherche in der internationalen Literatur und strukturierter Auswertung der relevanten Publikationen wird die aktuelle Datenlage dargestellt. Ergebnisse:

  • Es liegen in der internationalen Literatur Studien hoher Evidenzklassen vor, die geeignet sind, zu gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis zu kommen, auch in Form von Metaanalysen.

  • Der zunächst plausible Ansatz, dass eine Verteilung von Druck auf den Trochanter major zu einer Reduzierung von Hüftfrakturen führt, lässt sich durch Studien nicht hinreichend belegen.

  • In Metaanalysen kommen die Autoren zum Urteil, dass es für die Wirkung außerhalb von Pflegeheimen keine oder nur geringe Evidenz gäbe, innerhalb von Pflegeheimen sei der therapeutische Nutzen nicht hinreichend belegt.

  • Nach der jetzigen Datenlage sei die Durchführung weiterer Studien im ambulanten Bereich nicht sinnvoll, für den Bereich der Pflegeheime werde diese jedoch gefordert.

Diskussion: Aufgabe der Medizinischen Dienste ist die Beratung der GKV bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Grundlage der Erkenntnisse ist die Auswertung der publizierten Literatur, wobei eine strikte Selektion nach Evidenzklassen die Basis für eine sachgerechte Entscheidung legt. Am Beispiel der Hüftprotektoren lässt sich zeigen, dass eine zunächst einleuchtende Versorgung unter Alltagsbedingungen nicht zu den erwarteten Ergebnissen führt. Für eine leistungsrechtliche Beurteilung sind die Ergebnisse solcher Arbeiten jedoch – wie bei Arzneimitteln und Neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden – die Grundlage. Schlussfolgerungen: Die Basis medizinischer Erkenntnis ist die möglichst hochwertige Studie. Sie ist Grundlage sozialmedizinischer Beratung. Strukturierte Auswertungen von Studien dienen den Leistungsträgern – ggf. neben anderen Kriterien – bei der leistungsrechtlichen Entscheidung. Die Tätigkeit der Medizinischen Dienste führt bei korrekter Erfüllung ihrer Aufgabe einerseits zur Bereitstellung einer gesicherten medizinischen Versorgung für den einzelnen Patienten; sie dient andererseits dem Gemeinwohl, indem sie die Grundlagen für eine sinnvolle leistungsrechtliche Entscheidung schafft.