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DOI: 10.1055/s-2006-948152
Schwer zu behandelndes Asthma bronchiale
Einleitung:
Asthma bronchiale gilt als Volkskrankheit. Betroffen sind bis zu 10% der Bevölkerung. Die Mehrzahl der Betroffenen soll leichtes Asthma haben. In abnehmender Häufigkeit soll dann mittelschweres und schweres Asthma vorkommen. Die Schlussfolgerung, dass leichtes Asthma leicht zu therapieren ist und schweres Asthma schwer behandelbar ist, drängt sich auf. Sie kann aber nicht uneingeschränkt bejaht werden. Leichtes Asthma ist durch wechselnde, intermittierende Beschwerden von wechselnder Intensität charakterisiert. Unter Therapie und spontan können normale Funktionswerte erreicht werden. Beim schweren Asthma hingegen sind die Beschwerden oft dauerhafter Art und eine vollständige Normalisierung der Lungenfunktion wird selten erreicht.
Neuere Untersuchungen belegen, dass zwischen leichten, auf Therapie oder spontan völlig reversiblen asthmatischen Funktionseinschränkungen und der fixierten, therapierefraktären Atemwegsobstruktion des schweren Asthmas ein Kontinuum bestehen kann. Als dessen Ursache wird die chronisch-rezidivierend bzw. chronisch-persistierend Entzündungen der Atemwege und daraus resultierende strukturelle Änderungen im Bereich der Atemwegswand, insbesondere der glatten Muskulatur und der Bronchialwandmatrix angesehen [1]. Bislang gibt es keine etablierten Therapien, die diesen Endzustand wirksam behandeln.
Definition des schwer zu behandelnden Asthmas:
Vorauszuschicken ist, dass die qualifizierte Therapie eines Asthmas keinesfalls leicht ist. Zunehmende Anhaltspunkte sprechen dafür, dass falsche, zu späte oder unzureichende Therapie des leichten (potenziell leicht, d.h. erfolgreich, behandelbaren Asthmas) Voraussetzung dafür sein können, dass die Funktionseinschränkung des Asthmas zunehmend irreversibel wird und sich auch im Verlauf nicht mehr vollständig normalisieren lässt [2, 3]. Auch wenn „schwer zu behandelndes Asthma“ unzureichend definiert ist sollen hier Fälle angenommen werden, bei denen sich trotz Meidung von Allergen und anderen Auslösern und den üblichen Dosierungen anti-asthmatischer Inhlationstherapie keine Beschwerdefreiheit von Atemwegsobstruktion und/oder bronchialer Hyperreagibilität erzielen lässt. Als Ursache dafür lassen sich verschiedene Ursachen postulieren, die es abzuklären gilt: So kann die Diagnose falsch sein und andere Erkrankungen mit fixierter Atemwegsobstruktion und einer respiratorischen Insuffizienz wie COPD, zystische Fibrose, chronisch-exogen allergische Alveolitis, das Vocal Cord Dysfunction Syndrom, ein gastroösophagealer Reflux oder ein Hyperventilationssyndrom vorliegen. Fehlende Compliance mit eingeschlagenen Therapieregimen ist als Ursache unzureichenden Behandlungserfolges in der Literatur hinreichend dokumentiert und findet an anderer Stelle Erwähnung [4]. Dazu kann auch die unzureichende Allergen- oder Auslöserkarenz gezählt werden.
Durch die Literatur ziehen sich darüber hinaus Daten, dass Komorbiditäten, vor allen Dingen psychischer Auffälligkeiten [5] und letztendlich die Suchterkrankung Inhalationsrauchen [6, 7, 8] öfter mit schweren Verläufen assoziiert ist. Erwähnenswert sei noch die gelegentlich auch iatrogen induzierte schwere Behandelbarkeit durch falsche Therapiepriorität, bei der langfristig spasmolytische Therapie antiobstruktiver Behandlung vorgezogen wird [2].
In der Literatur dokumentiert ist, dass zwischen der Asthmadauer und dem Schweregrad bei Kindern Korrelationen bestehen [2, 3]. Die Dauer eines Asthmas korreliert mit schlechterer Lungenfunktion, stärkerer bronchialer Hyperreagibilität mehr Asthmasymptomen und mehr bedarfsweisem Beta-Mimetika-Gebrauch [3]. Entgegen der langjährigen Annahme, dass Asthma per se zu keinem progredienten Lungenfunktionsverlust führt, zeigen Daten der letzten Jahre eindeutig, dass Patienten mit Asthma einen progredienten und stärkeren Lungenfunktionsverlust haben als gleichaltrige Kollektive ohne Asthma [9].
Bei der Diagnose eines schwer behandelbaren Asthmas ist differentialdiagnostisch abzuklären, ob eine chronisch-obstruktive Bronchitis mit oder ohne Emphysem, ein gastroösophagealer Reflux, ein Vocal-Cor-Dysfunction-Syndrom, ein Hyperventilationssyndrom, ein Lungenödem bei z.B. kardialer Insuffizienz, Karzinoidsyndrom, Tumorerkrankung, Pneumothorax, Tracheomalazie, Bronchiolitis obliterans, rezidivierende Lungenembolien, Vaskulitiden, Kollagenosen und einseitig helle Lungen wie beim Swyer-James-Syndrom vorliegen.
Eine weitere Ursache, oben bereits angedeutet, für Therapieversager kann eine gestörte Arzt-Patient-Kommunikation sein, eine unvollständige Befunderhebung und Anamnese, bei der von einer falschen Diagnose ausgegangen wird oder Auslöser unzureichend eruiert werden. Fehlende Patientenfortbildung trägt aller Voraussicht nach erheblich zu unzureichender Compliance oder Fehlanwendung von Medikamenten mit unzureichendem Therapieerfolg bei [10, 11].
Hinsichtlich der Ätiologie ist das intrinsische, nicht allergische Asthma häufiger therapierefraktär oder bedarf wesentlich höherer Dosen immunsuppressiver Therapie als allergisches Asthma [12]. Dafür spricht auch die Erfahrung, das zwischen sogenanntem early und late onset Asthma die Allergierate unterschiedlich ist. Von 114 Patienten mit schwerem Asthma, deren spezifische IgE-Antikörper gegen verschiedene Allergene getestet wurde und deren Asthmabeginn vor bzw. nach dem 18. Lebensjahr lag liessen sich bei 62,3% Hinweise auf eine atopische Diathese finden. Bei 49,1% dieser Patienten begann das Asthma vor dem 18. Lebensjahr und von diesen Patienten wiederum waren 80,4% atopisch, während 50,9% ihr Asthma nach dem 40. Lebensjahr entwickelt und von diesen nur 44,4% atopisch waren [13]. Insofern bestätigen diese Daten, dass Patienten mit spätem Asthmabeginn häufiger nicht atopisch sind und dem intrinsischen Asthma zuzuordnen sind, welches wiederum einen schwereren Verlauf mit schlechterem Ansprechen auf Therapie aufweist [12].
Wasserfall et al haben vor Jahren Patienten mit schwerem, intubationspflichtigem Asthma untersucht und in 3 Gruppen unterschieden: Solche, deren Asthma schnell progredient innerhalb von 3 Stunden zur Intubation führte. Eine weitere Gruppe, deren Asthma sich progressiv über minimal 3 bis maximal 28 Tage verschlechterte und in eine Gruppe, deren Asthma sich plötzlich auf dem Boden eines instabilen Asthmas verschlechterte. Die erste Gruppe bestand vorwiegend aus jungen Männern, die ähnliche Anfälle zuvor hatten, bei Auskultation kein Atemgeräusch mehr aufwiesen und azidotisch waren. Einige davon erlitten einen Atemstillstand und Koma und als Auslöser ließen sich Allergenkontakt und Stress eruieren. Bei den beiden anderen Gruppen fanden sich vorwiegend ältere Frauen, die zuvor schon ähnliche Anfälle hatten und zudem unter Infekten der Atemwege litten, was als Auslöser der akuten Verschlechterung angesehen wurde [14].
Ein weiterer Faktor, der zum unbefriedigenden Verlauf einer Asthmatherapie beitragen kann, ist die Erkenntnis, dass beim schweren Asthma die Wahrnehmung der Lungenfunktionseinschränkung erheblich gestört ist [15].
Sucht man nun nach Risikofaktoren für schweres oder gar tödliches Asthma, so finden sich bei schweren Asthmaformen vor allem jüngere Leute mit früheren Episoden ähnlicher Schwere. Es sind vorwiegend Frauen und Leugnen der Erkrankung, Stressoren in der Familie und am Arbeitsplatz, Rauchen, Passivrauchen sind als Risikofaktoren beschrieben [5].
In den USA ist darüber hinaus als Ursache für tödliche Asthmaanfälle Zugehörigkeit zu einer Minorität (Schwarze), männliches Geschlecht, Innenstadtbewohner, instabile Erkrankung, fehlendes Monitoring, vorhergehende Hospitalisierung und Beatmung sowie finanzielle Belastungen beschrieben [16]. In einer weiteren Arbeit werden als Risikofaktoren für tödliche Asthmaanfälle schweres Asthma, ungeplante Arztbesuche, frühere Krankenhausaufenthalte wegen Asthma, Intubation wegen Asthma, hoher Betaagonistenverbrauch, auch jenseits der verschriebenen Dosis, Schwermütigkeit und Depression und eine kurze Zeitspanne zwischen dem Auftreten von Symptomen und dem tödlichen Asthmaanfall beschrieben [17].
Welche Faktoren lassen sich anhand der modernen Kenntnisse zur Pathologie des Asthmas anführen, die diese Zusammenhänge klären könnten?
Asthma hat in vielen Aspekten eine eigenständige, unverwechselbare Pathologie, die sich insbesondere bei leichten Formen durch eine ausgeprägte Eosinophilie, Aktivierung von CD4-Zellen und Mastzellen und ihren Mediatoren ausweist [1]. Während eine Eosinophilie als klinischer Marker für ein gutes Ansprechen der Symptome auf inhalative Glucocorticosteroidtherapie angesehen werden kann, nimmt dieser Marker mit zunehmendem Verlauf ab. Im Gefolge kommt es zu sogenanntem Airway-Remodeling, bei dem davon ausgegangen wird, dass Veränderungen der Struktur und der Funktion von Schlüsselfaktoren der Atemwege, einschl. der Atemwegsmuskulatur, des Epithels, der Blutgefäße, der Sekretdrüsen den progressiven Lungenfunktionsverlust erklären [1].
Während in den 90er Jahren überwiegend die Regulation der Eosinophilie des Asthmas studiert wurde, lassen sich mittlerweile Anhaltspunkte dafür finden, dass aktivierte T-Lymphozyten und Eosinophile in der Lage sind, mesenchymale Zellen des Bronchialsystems zu beeinflussen und so die Zusammensetzung der Atemwegswandmatrix zu beeinflussen [1].
In einer sehr neuen Arbeit konnte Pepe et al. [18] belegen, dass sich mittelschweres und schweres Asthma anhand unterschiedlicher Ausprägung der glatten Atemwegsmuskulatur unterscheiden lassen, wobei die glatte Atemwegsmuskulatur beim schweren Asthma näher am Bronchialepithel angelagert ist. Darüber hinaus ließ sich ein Trend für eine stärkere subepitheliale Fibrose beim schweren Asthma nachweisen.
Unklar ist, ob diese Änderungen der glatten Muskulatur ausschließlich Folge der asthmatischen Entzündungen sind oder möglicherweise im Sinne eines langjährigen Betamimetikaabusus auch iatrogen bedingt sind.
Therapeutisch ließ sich bei Kindern zeigen, deren Asthma innerhalb von 2 Jahren nach Diagnosestellung adäquat mit inhalativen Steroiden therapiert wurde, dass die Lungenfunktion annähernd Normalwerte erreichte und nach Ablauf von 5 Jahren ein erheblicher Teil der Kinder sogar auf Therapie verzichten konnte. Nicht hingegen Kinder, deren Asthma zunächst in den ersten 5,25 Jahren nach Diagnosestellung mit Bronchodilatatoren ohne Hinzunahme effektiver antientzündlicher Therapie behandelt wurde. Diese Kinder erreichten auch nach Standardisierung auf ein gleiches Lungenfunktions-Ausgangsniveau keine vollständige Normalisierung [2].
Therapie:
Wie oben aufgeführt, bieten sich derzeit keine Therapieverfahren für schweres, irreversibles Asthma bronchiale. Versuchsweise alternative Therapien wie Methotrexat, Interferone, Cyclosporin, etc. bieten allenfalls maginale Verbesserungen in kontrollierten Studien oder ihr Erfolg ist nur in kleinen Serien ohne Kontrollgruppen dokumentiert.
Ausgehend von neuesten Daten ist anzunehmen, dass eine Behandlung, die gegen die subepitheliale Fibrose und die Hyperplasie der glatten Muskulatur gerichtet ist, progredienten Lungenfunktionsverlust verhindern oder möglicherweise sogar rückgängig machen kann. Aufgrund der unklaren Beiträge inhalativer Beta-Mimetika sollte diese Therapie auf das zwingend erforderliche Minimum reduziert und antientzündliche Therapie eingesetzt werden.
Insofern ist unter der Annahme, dass die weit überwiegende Mehrzahl der Patienten mit schwer zu behandelndem Asthma bronchiale einen Karrierebeginn mit leichtem Asthma hinter sich haben, zu fordern, dass frühzeitig und adäquat antientzündlich therapiert wird, um schwer zu behandelndes Asthma in seiner Entstehung zu verhindern.
Neue Strategien wie Anti-Interleukin-13-Antikörper, Anti-Interleukin-13-Rezeptorantikörper, Wachstumsfaktor Inhibitoren etc. werden geprüft und sind vor den neuen Erkenntnissen zur Pathogenese der chronisch-irreversiblen Atemwegsobstruktion vielversprechende Kandidaten.
Literatur:
1. Pascual RM, Peters SP. Airway remodeling contributes to the progressive loss of lung function in asthma: an overview. J Allergy Clin Immunol 2005;116:477–86
2. Selroos O, Lofroos AB, Pietinalho A, Riska H. Asthma control and steroid doses 5 years after early or delayed introduction of inhaled corticosteroids in asthma: a real-life study. Respir Med. 2004; 98:254–62
3. Zeiger RS, Dawson C, Weiss S. Relationships between duration of asthma and asthma severity among children in the Childhood Asthma Management Program (CAMP). J Allergy Clin Immunol 1999; 103: 376–87
4. Mühlig, S. Verbreitung der Non-Compliance bei Asthma-Patienten: Aktueller Forschungsstand.
5. Innes NJ, Reid A, Halstead J, et. al. Psychosocial risk factors in near-fatal asthma and in asthma deaths. J R Coll Physicians Lond. 1998; 32:430–4.
6. Eisner MD, Klein J, Hammond SK, et. al. Directly measured second hand smoke exposure and asthma health outcomes. Thorax 2005; 60:814–21
7. Austin JB, Selvaraj S, Godden D, Russell G. Deprivation, smoking, and quality of life in asthma. Arch Dis Child 2005; 90:253–7
8. Ulrik CS, Lange P. Cigarette smoking and asthma. Monaldi Arch Chest Dis. 2001; 56:349–53
9. Lange P, Parner J, Vestbo J, et. al. A 15-year follow-up study of ventilatory function in adults with asthma. N Engl J Med 1998; 339:1194–200
10. Detjen PF, Greenberger PA, Grammer LC, Patterson R. Malignant potentially fatal asthma: a management strategy. Allergy Proc. 1992; 13:27–33
11. Virchow JC Jr. Neue Entwicklungen in der Therapie des Asthma bronchiale. Allergologie 1995; 18:167–78
12. Virchow JC Jr, Prasse A, Luttmann W, Matthys H. Intrinsic Asthma: Fact oder Fiktion. Atemw.-Lungenkrankheiten 1997; 23:573–79
13. Grootendorst DC, ten Brinke A, Sterk P, et. al. Differten allergic profile in patients with early and late onset severe asthma. Am J Respir Crit Care Med 2000; 161:A918
14. Wasserfallen JB, Schaller MD, Feihl F, Perret CH. Sudden asphyxic asthma: a distinct entity? Am Rev Respir Dis. 1990; 142:108–11.
15. Veen JC, Smits HH, Ravensberg AJ, Hiemstra PS, Sterk PJ, Bel EH. Impaired perception of dyspnea in patients with severe asthma. Relation to sputum eosinophils. Am J Respir Crit Care Med 1998; 158:1134–41
16. McFadden ER Jr, Warren EL. Observations on asthma mortality. Ann Intern Med 1997; 127:142–7
17. Hessel PA, Mitchell I, Tough S, et. al. Risk factors for death from asthma. Prairie Provinces Asthma Study Group. Ann Allergy Asthma Immunol 1999; 83:362–8
18. Pepe C, Foley S, Shannon J, et. al. Differences in airway remodeling between subjects with severe and moderate asthma. J Allergy Clin Immunol, 1005; 116:544-9