Aktuelle Urol 2006; 37 - V54
DOI: 10.1055/s-2006-947442

Kontinenz und erektile Funktion nach radikaler Prostatektomie: Vorteile des nerverhaltenden Vorgehens

A Schink 1, C Weber 1, U Ikinger 1
  • 1Urologische Abteilung, Krankenhaus Salem, Heidelberg

Einleitung (Ziele): Die radikale retropubische Prostatovesikulektomie gilt derzeit als Goldstandard bei der Therapie des organbegrenzten Prostatakarzinoms. Mit Einführung des „nerve-sparing“ Vorgehens 1982 durch Walsh konnten die Impotenzraten erwartungsgemäß gesenkt werden. In der Literatur häufen sich die Hinweise, dass mit diesem Vorgehen auch verbesserte Kontinenzraten erreicht werden.

Patienten & Methoden: Im Zeitraum von Januar bis Dezember 2003 unterzogen sich 63 Patienten einer radikalen Prostatektomie, bei 23 Patienten war ein Nerverhalt möglich. Zur Datenerhebung verwendeten wir validierte und standardisierte Fragebögen (ICS male questionnaire, IIEF-5) mit der Möglichkeit der anonymen Beantwortung. Die Rücklaufquote der Fragebögen betrug 93,4%. Organüberschreitende Tumoren (n=10) wurden nicht einbezogen.

Ergebnisse: Am Stichtag ermittelten wir bei gezielter Befragung der Stressharninkontinenz eine Kontinenzrate von 47,8% der nerverhaltend operierten Patienten und eine von 18,5% bei den nicht nerverhaltend operierten Patienten (p<0,05). Ermittelten wir nach Vorlagenverbrauch, so waren am Stichtag 82,6% der nerverhaltend operierten und 74,1% der nicht nerverhaltend operierten Patienten kontinent. Beide Vorgehensweisen der Patientenbefragung zeigen jedoch einen Trend zu besseren Kontinenzergebnissen nach nerverhaltender Operation.

Nerverhaltend operierte Patienten erlangten erheblich früher ihre Kontinenz wieder. Erwartungsgemäß beeinflusste der Nerverhalt die postoperative Potenzrate. Lediglich 3,7% der nicht nerverhaltend operierten Patienten verfügten im Vergleich zu 56,5% der nerverhaltend operierten Patienten über eine erektile Funktion (p<0,01).

Diese Vorteile der nerverhaltenden Operation spiegeln sich auch deutlich in der Zufriedenheit der Patienten mit der Operation wider. 57% der nerverhaltend operierten Patienten gaben an, mit der Operation „sehr zufrieden“ zu sein, bei den nicht nerverhaltend operierten Patienten waren dies nur 19% (p<0,01).

Schlussfolgerung: Unsere Daten belegen, dass das nerverhaltende operative Vorgehen nicht nur zu verbesserten Potenzraten, sondern auch zu deutlich verbesserten Kontinenzraten führt.

Interessant war die Diskrepanz bei der Beurteilung der postoperativen Harninkontinenz per anonymen Fragebogen bzw. Erfassung des Vorlagenverbrauches. Letztere lässt die Ergebnisse möglicherweise zu günstig erscheinen.

Aus den genannten Gründen könnte – bei gegebenen Voraussetzungen – der bisherige „goldene“ operative Standard in nerverhaltender Form optimiert werden.