Neuropediatrics 2006; 210 - P182
DOI: 10.1055/s-2006-946536

Asphyxierende Thoraxdysplasie bei Jeune-Syndrom – Therapeutische Optionen und Prognose anhand zweier Kasuistiken

C Merzkirch 1, C Bender 1, M Glöckler 1, J Wissert 1, T Nicolai 1, M Henschen 1
  • 1Kinderklinik VS-Villingen, VS-Villingen, D

Einleitung: Das Jeune-Syndrom ist eine seltene Erkrankung, die beim Neugeborenen aufgrund der typischen Merkmale eines schmalen Thorax in Verbindung mit kurzen Extremitäten meist einfach zu erkennen ist. Die Prognose ergibt sich im Wesentlichen aus der Schwere der sich entwickelnden respiratorischen Symptomatik und der häufig auftretenden Störungen der Nierenfunktion. Schnell progrediente Verläufe sind ebenso beschrieben wie relativ gutartige Verläufe. Anhand zweier Kasuistiken sollen die therapeutischen Optionen und die sich daraus ergebende Prognose beschrieben werden.

Kasuistiken: Fallbeispiel 1: Beim ersten Patienten handelt es sich um ein reifes Neugeborenes bei dem bereits pränatal verkürzte Extremitäten aufgefallen waren. Wegen einer zunehmenden Tachydyspnoe erfolgte die Verlegung in unsere Kinderklinik. Aufgrund der typischen Dysmorphien sowie der radiologischen Befunde konnte die Diagnose eines Jeune-Syndroms gestellt werden. Zunächst konnte unter Sauerstoffzufuhr und CPAP-Atemhilfe eine maschinelle Beatmung vermieden werden. Es kam jedoch im Verlauf zu einer zunehmenden respiratorischen Insuffizienz, so dass im Alter von 3½ Monaten eine Tracheotomie erfolgte. Inzwischen erhält der Junge eine druckunterstützte Heimbeatmung und aufgrund wiederholt aufgetretener pulmonaler Infektionen eine antibiotische Dauerprophylaxe. In einigen Monaten ist eine thorakale Erweiterungsplastik vorgesehen.

Fallbeispiel 2: Hierbei handelt es sich um ein inzwischen 18 Jahre altes Mädchen, bei der ebenfalls postnatal die Diagnose eines Jeune-Syndroms gestellt worden war. Bei ihr wurde im Alter von 4 Monaten eine mediane Sternotomie mit subperiostaler Rippenresektion und Rippen-Reimplantation durchgeführt. Mit 8 Monaten erfolgte eine Resternotomie mit erneuter Rippeninterposition. Sie hat inzwischen die Schulausbildung abgeschlossen und stellte sich zuletzt bei uns wegen eines Kinderwunsches vor.

Diskussion: Mehrere Fallbeispiele bei zugrunde liegendem Jeune-Syndrom sind inzwischen beschrieben worden. Im Vordergrund der Therapie steht die Beherrschung der asphyxierenden Thoraxdysplasie. Die wesentliche therapeutische Option ist eine Thoraxerweiterungsplastik, die erst nach dem ersten Lebensjahr erfolgen sollte. Die respiratorische Insuffizienz wird in der Regel, um den Zeitraum bis zur chirurgischen Therapie überbrücken zu können, mittels einer nichtinvasiven oder invasiven Beatmung behandelt. Die Tatsache, dass betroffene Kinder, wie in unserem 2. Fallbeispiel beschrieben, trotz dieser schweren Grunderkrankung das Erwachsenenalter erreichen und ein nahezu normales Leben führen können, rechtfertigt unserer Meinung nach die Ausschöpfung aller aktuell zur Verfügung stehenden therapeutischen Optionen.