Neuropediatrics 2006; 210 - P164
DOI: 10.1055/s-2006-946518

Pyridoxalphosphat zur Therapie einer schweren neonatalen, konvulsiven Enzephalopathie

S Bagci 1, J Zschocke 2, G Hoffmann 3, T Bast 3, A Heep 1, A Müller 1, N Kau 1, P Bartmann 1, A Franz 1
  • 1Universitätskinderklinik, Bonn
  • 2Human Genetik, Ruprecht-Karls Universität, Heidelberg
  • 3Universitätskinderklinik, Heidelberg, D

Hintergrund: Pyridox(am)inphosphat-Oxidase (PNPO) katalysiert die Konvertierung von Pyridoxinphosphat zum aktiven Pyridoxalphosphat, das ein Co-Faktor für Enzyme in der Neurotransmittersynthese ist. Der Mangel an PNPO verursacht Neugeborenenkrämpfe ähnlich den Pyridoxin-abhängigen-Krampfanfällen, die aber nicht auf Pyridoxin sondern nur auf Pyridoxalphosphat ansprechen.

Fallbeschreibung: Wir beschreiben eine Familie mit 3 erkrankten Kindern. Die Eltern sind Cousin und Cousine 1. Grades. Ein Junge ist im Alter von 5 Monaten mit konnatalem Krampfleiden gestorben. Ein inzwischen dreijähriger Junge ist schwerst psychomotorisch retardiert und leidet seit Geburt an einem bisher ätiologisch ungeklärten, therapierefraktären Krampfleiden. Wir behandelten ein eutrophes weibliches Frühgeborenes von 29. SSW, das wegen pathologischem CTG per Sectio geboren wurde. Der APGAR betrug 9/9/10. Bereits in der ersten Lebensstunde trat ein Krampfstatus auf. Das EEG wies wiederholt ein Burst-Suppression-Muster auf. Die Schädelsonographie war unauffällig. Initial zeigte sich eine Laktatazidose, die sich unter symptomatischer Therapie besserte. Bei Verdacht auf eine Stoffwechselerkrankung verabreichten wir Vitamin B6 (initial 100mg, später 500mg i.v.), Vit. Bl, Vit. B2 und Carnitin. Behandlungsversuche mit Phenobarbital (Talspiegel bis 72mg/l), Phenytoin (Talspiegel bis 20µg/ml), Topiramat und schließlich Thiopental Dauerinfusion blieben erfolglos. Die Patientin verstarb im Rahmen einer Sepsis mit therapierefraktärer, prärenaler Niereninsuffizienz.

Aufgrund einer Dysbalance biogener Amine im Liquor und einer Erhöhung der Vanillinmilchsäure im Urin wurde der Verdacht auf einen Mangel der Aromatischen Aminosäuredecarboxylase (einem Pyridoxalphosphat abhängigem Enzym) gestellt, der sich im Verlauf nicht bestätigte. Die biogenen Amine im Liquor normalisierten sich im Verlauf. Die molekulargenetische Diagnostik zeigte bei unserer Patientin und ihrem dreijährigen Bruder eine homozygote Mutation für R95C in Exon 3 des PNPO-Gens. Der Bruder wurde daraufhin mit Pyridoxalphosphat behandelt, worauf sich die klinische Symptomatik deutlich besserte.

Schlussfolgerung: Wir beschreiben eine Familie mit PNPO-Mangel, der zu in einer mit Pyridoxalphosphat behandelbaren schweren neonatalen, konvulsiven Enzephalopathie führte. Pyridoxalphosphat sollte wie Vit. B6 in das Behandlungsschema therapierefraktärer Neugeborenenkrämpfe aufgenommen werden.