Neuropediatrics 2006; 210 - P94
DOI: 10.1055/s-2006-946450

Besteht für weibliche Frühgeborene ein Überlebensvorteil?

J Mengel 1, F Pohlandt 1
  • 1Universitäts-Kinderklinik Ulm, Ulm, D

Hintergrund: Seit Jahrzehnten wird darüber diskutiert, dass in der Gruppe der Frühgeborenen das weibliche Geschlecht einen Überlebensvorteil hat.

Zielsetzung: Zu prüfen, ob für FG das weibliche Geschlecht einen Überlebensvorteil darstellt.

Methodik: Retrospektive Auswertung der Daten von 2252 FG mit einem Schwangerschaftsalter (GA) von 22–32 SSW, die von 1974 bis 2003 in der Sektion Neonatologie der Universität Ulm versorgt worden waren. Je 3 Geburtsjahrgänge (1974–1976, 1977–1979, 1980–1982 ...) und die Kinder mit dem GA 22–24, 25–27, 28–30 und 31–32 Wochen wurden zu Gruppen zusammengefasst, um für die statistische Auswertung ausreichend viele Kinder je Gruppe zu erhalten. Anschließend wurde für jede dieser Gruppen die Überlebenswahrscheinlichkeit berechnet. Die Überlebenswahrscheinlichkeit wurde in Intervalle von 10% unterteilt (0–10%, 11–20%, 21–30%...). Die Kindergruppen wurden entsprechend ihrer Überlebenswahrscheinlichkeiten in den 10%-Intervallen zusammengefasst. Beispiel: die Gruppe der Jahre 1989–1991 und SSW 25–27 mit der Überlebenswahrscheinlichkeit 71% wurde dem Intervall 71–80% zugeordnet und mit den Kindern der anderen Gruppen dieses Intervalls summiert. Durch die nachfolgende Berechnung des Quotienten der Überlebenswahrscheinlichkeit Mädchen/Jungen für jedes dieser Intervalle wurde der Unterschied der Geschlechter bezüglich des Überlebens von 0 bis 100% quantifiziert. Diese Art der Auswertung der Überlebensraten ermöglichte den Vergleich der FG unabhängig von GA, GG und Geburtsjahr.

Ergebnisse: Für die Gesamtheit der untersuchten Kinder fand sich ein signifikanter Überlebensvorteil der Mädchen (p=0,036). Dieser Vorteil war nicht homogen verteilt, sondern in 3 Zonen unterschiedlich stark ausgeprägt. Sowohl bei niedriger (<10%) als auch bei hoher (>80%) Überlebenswahrscheinlichkeit bestand kein Unterschied (Zone 3). In Zone 2 (10–40% und 60–80%) war ein geringer Überlebensunterschied zu Gunsten der Mädchen auszumachen. Bei ungewisser Überlebenswahrscheinlichkeit zwischen 40 und 60% (Zone 1), überlebten frühgeborene Mädchen um den Faktor 1,6häufiger. Ihre Überlebenswahrscheinlichkeit betrug 65% anstatt 40%, war also um 25% größer als die der Knaben.

Schlussfolgerung: Die retrospektive Untersuchung von 2252 FG (22–32 SSW) der Jahrgänge 1974–2003 zeigte einen signifikanten Überlebensvorteil für Mädchen. Für Kinder mit unsicherer Überlebensprognose (Überlebenswahrscheinlichkeit 40–60%) bedeutete weibliches Geschlecht einen 1,6 fachen Überlebensvorteil. Dieser Vorteil war nicht an das Schwangerschaftsalter gebunden, sondern an die aktuelle, sich mit den Jahren ändernde Sterblichkeit.