Neuropediatrics 2006; 210 - P87
DOI: 10.1055/s-2006-946443

Schwere Hydranencephalie mit respiratorischer Insuffizienz – ein postnatales ethisches Dilemma

T Diehl 1, C Hauenstein 1, C Spang 1, B Zimmermann 1, A Meyer 1, HJ Flägel 2, D Haffner 1
  • 1Universitäts-Kinder- und Jugendklinik Rostock, Rostock
  • 2Müritz-Klinikum Waren, Waren, D

Einleitung: Eine Hydranencephalie ist eine schwere Missbildung des Gehirns, bei der beide Großhirnhemisphären durch flüssigkeitsgefüllte Blasen ersetzt sind. Als Ursache wird eine intrauterine Durchblutungsstörung im Versorgungsgebiet der A. carotis interna beidseits vermutet. Bei intrauterin diagnostizierten schweren ZNS Fehlbildungen erfolgt häufig eine Interruptio. Wir beschreiben die ethische Problematik eines Neugeborenen mit Hydranencephalie und fehlendem Spontanatemantrieb, bei dem unmittelbar postnatal eine maschinelle Beatmung begonnen wurde.

Kasuistik: Mutter 19-jährige Erstgravida, keine Schangerschaftsvorsorgeuntersuchungen. Keine teratogenen Einflüsse bekannt. Vorstellung in auswärtiger Geburtsklinik nach unbekannter Schwangerschaftsdauer. Muttermund vollständig, CTG silent mit Dezelerationen. Geburt: Spontan durch Forceps, NapH 7,35. Weibliches Neugeborenes, 3220g, APGAR 0/6/6. Kardiopulmonale Reanimation, Intubation und Beginn der maschinellen Beatmung. Verlegung in unsere Einrichtung. Sonographie Schädel: Massive intrazerebrale Flüssigkeitsansammlung mit rudimentären Resten der Großhirnrinde um Falx cerebri und occipital. Thalami, Hirnstamm und Kleinhirn regelrecht angelegt.

Kernspintomographie: Hydranencephalie. EEG: schwere allgemeine Hirnfunktionsstörung.

Verlauf: Eine Extubation war bei fehlender Spontanatmung möglich. Die Kreislaufsituation war jedoch stets stabil, das Kind reagierte auf Umweltreize. Die Beatmung wurde zunächst über Nasotrachealtubus fortgeführt, im Verlauf wurde ein Tracheostoma angelegt, das vom Kind deutlich besser toleriert wurde. In der 9. Lebenswoche erfolgte die Verlegung in ein Hospiz zur weiteren palliativ-pflegerischen Betreuung.

Diskussion: Schwere Fehlbildungen des Zentralnervensystems mit insuffizientem Eigenatemantrieb sind nicht mit dem Leben zu vereinbaren. Eine bereits begonnene maschinelle Beatmung stellt ein ethisches Dilemma dar. Eine pflegerische Begleitung bei Tracheostomabeatmung mit minimalen medizinischen Interventionen sollte in diesem ethisch-juristischen Spannungsfeld diskutiert werden.