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DOI: 10.1055/s-2006-946435
Pneumothorax oder Teilobstruktion? Eine beinahe folgenschwere Fehlentscheidung
Ärztliche Fehlentscheidungen, Fehleinschätzungen und Behandlungsfehler passieren häufig im medizinischen Alltag an verschiedenen Schnittstellen.
Beschrieben wird der Verlauf von zwei Knaben nach notfallmässiger Klinikeinweisung.
Beide präsentierten sich in schlechtem klinischen Zustand mit akuter pulmonaler Symptomatik, Sauerstoffbedarf und mit täuschend ähnlichem Röntgenbild. Während die gleiche therapeutische Massnahme im ersten Fall korrekt war, wäre sie im zweiten Fall ein medizinischer Fehler mit möglicherweise letalem Ausgang gewesen.
Fall 1: 11 jähriger bisher gesunder sportlicher Knabe. Nach dem Schwimmbadbesuch thorakale Schmerzen rechts, Dsypnoe. Im Verlauf der Nacht zunehmende Schmerzen, Todesangst, Einweisung mit Notarzt. Bei Aufnahme schlechter Allgemeinzustand, Tachy-Dyspnoe, fehlendes Atemgeräusch rechts.
Die notfallmässig durchgeführte Röntgenaufnahme zeigte das klassische Bild eines Spannungspneumothorax rechts. Nach Entlastung mittels Bülau Drainage rasche und eindrucksvolle Besserung. Die im Kontrollröntgen noch nachweisbare bullöse Struktur im rechten Ober-und Mittellappen zeigte sich nach der Resektion in der histologischen Untersuchung als zystisch-adenomatoide Malformation Typ 1. Restitutio ad integrum.
Fall 2: Zwei Tage später Aufnahme eines 16 Monate alten Kleinkindes mit Fieberkrampf, somnolent, gleichzeitig Dyspnoe, Reizhusten, Sauerstoffbedarf.
Bei der Auskultation abgeschwächtes Atemgeräusch links. Bei eiligem Schichtwechsel knappe Übergabe:“Alles klar-Röntgen: Pneumothorax rechts, zur Entlastungspunktion ist schon alles vorbereitet.“ Trotz aller Hektik wegen des schlechten Zustande des Kindes und der aufgeregten Eltern nochmals Auskultation und genaue Inspektion des Röntgenbildes: deutliches Atemgeräusch rechts und im Röntgen nachweisbare Lungenzeichnung rechts. Neubewertung des Befundes als massive Überblähung rechts bei linksseitiger Atelektase. Bei der daraufhin durchgeführten Bronchoskopie Entfernung eines klebrigen Pfropfes aus dem linken Hauptbronchus mit nachfolgend eitrigem Sekret und schwieriger Nachbeatmung, dann aber Restitutio ad integrum. Der Fremdkörper wurde als MENTOS identifiziert. Fall zwei zeigt, dass auch für erfahrene Ärzte die Arbeit an Schnittstellen ein hohes Fehlerrisiko beinhaltet, das bei unserem kleinen Patienten zu einem letalen Ausgang hätte führen können.
Dieser Fall war Anlass in unserer Abteilung ein „Critical Incident Reporting System“ (CIRS) einzurichten. Dieses Meldesystem bietet allen Ärzten die Möglichkeit, kritische Situationen, Fehleinschätzungen und Behandlungsfehler inklusive der sich daraus ergebenden Folgen zu beschreiben. Gemeinsam können Strategien zur Vermeidung von kritischen Ereignissen und Fehlern entwickelt werden. Die systematische Erfassung solcher Ereignisse dient nicht nur der verbesserten Ausbildung, sondern auch der nicht- individuellen Schuldzuweisung, der Organisationsentwicklung und der Patientensicherheit.