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DOI: 10.1055/s-2006-946413
Extreme Hypernatriämie (173mmol/l): Effiziente Diagnostik eines Diabetes insipidus renalis, Identifikation einer neuen AVPR2 Mutation und rein enterale Rehydratation
Bei renalem Diabetes insipidus (Häufigkeit ca. 1: 250.000), führt die Resistenz gegen Antidiuretisches Hormon (ADH) zu unkontrolliertem Wasserverlust mit Hypernatriämie und Dehydratation. Gedeihstörungen und Entwicklungsauffälligkeiten sind häufig. Tödliche Ausgänge durch Kreislaufversagen oder Krampfanfälle (insbesondere bei zu schneller Korrektur der Hypernatriämie) sind möglich.
Wir berichten über einen männlichen Säugling einer 20-jährigen Erstgravida, der in Schwangerschaft und Geburt unauffällig war und während der ersten 10 Lebenswochen eine normale Entwicklung nahm. Unter Formelernährung zeigte sich normales Gedeihen entlang der 50 Gewichtsperzentile. Mit 2 Monaten wurde das Kind mit Fieber und Dyspnoe vorgestellt. Es fanden sich eine Bronchopneumonie mit typischen Infiltrationen, CrP Werte bis 8,2mg/dl, eine Leukozytose von 37.000/µl und ein Serumnatrium von 173mg/dL bei normalem Serumkalium. Die Plamaosmolalität war mit 336 mmol/l deutlich erhöht, die Urinosmolaität mit 168 mmol/l inadäquat niedrig. Die Urinausscheidungsrate in der Rehydratationsphase betrug 11ml/kg/h. Es erfolgte eine antibiotische Therapie und enterale Rehydrataion mit Formelnahrung und Tee (250ml/kg/d) per nasogastraler Sonde. Darunter kam es zum langsamen Serumnatriumabfall bis 149 mmol/l über 5 Tage. Die Diskrepanz zwischen Plasma- und Urinosmolalität gestattete unmittelbar die Diagnose eines Diabetes insipidus. Im i.v. ADH-Test zeigte sich keine Änderung der Urinosmolalität, Plasmaosmolität oder Urinausscheidungsrate, charakteristisch für nephrogenen Diabetes insipidus. Die Gerinnungsanalyse zeigte keinen Anstieg von Faktor VIII, Plasminogen-Aktivator, oder Ristocetin-Kofaktor nach ADH-Gabe. Dies deutet auf einen Defekt des Vasopressin-Rezeptors AVPR2 (X-chromosomaler Diabetes insipidus) hin. Unter der Therapie mit Indometacin, Hydrochlorothiazid und Amilorid konnte das Kind in gutem Allgemeinzustand mit normalen Serumelektrolyten und normaler Flüssigkeitszufuhr und -ausscheidung nach Hause entlassen werden.
Die Sequenzanalyse der gesamten kodierenden Region des AVPR2 Gens zeigte eine bisher unbekannte Deletion von 6 Basen (c.647–652delCACCTA) entsprechend 2 Aminosäuren (P217-T218del) die innerhalb der 5. Transmembranhelix des AVPR2-Proteins zu liegen kommt. Die Mutter des Patienten wurde als Carrier identifiziert. Da die Erkrankung potentiell tödlich ist bzw. unbehandelt zu irreversiblen neurologischen Defiziten führen kann, wurde der betroffenen Familie ein Kaskadenscreening auf Carrierstatus empfohlen.
Schlussfolgerungen: Bei Hypernatriämie eines Säuglings sollte ein diabetes insipidus durch Analyse der Urinosmolalität ausgeschlossen werden. Normales Gedeihen und eine negative Anamnese schließen einen schweren AVPR2-Defekt nicht aus. Vollenterales Management ist auch bei extremer Hypernatriämie möglich. Die bisher unbekannte Mutation P217-T218del im AVPR2-Gen ist ursächlich für nephrogenen Diabetes insipidus.