Neuropediatrics 2006; 210 - P56
DOI: 10.1055/s-2006-946412

Extreme Hyponatriämie bei einem 4 Wochen alten Säugling: Therapie und weiterführende Diagnostik

M Grasser 1, C Thilmany 1, M Deml 1, O Fuchs 1, HP Schwarz 1, A Holzinger 1, G Münch 1
  • 1Dr. von Haunersches Kinderspital, München, D

Einleitung: Extreme Hyponatriämien kleiner 110 mmol/l werden im Säuglingsalter nur selten gefunden; als wahrscheinlichste Verdachtsdiagnose kommt ein AGS mit Salzverlust in Betracht. Sehr selten findet sich dagegen eine Aldosteronresistenz oder ein -mangel, eine primäre NNR-Insuffizienz oder ein neonatales Bartter-Syndrom.

Bericht: Wir berichten über einen 4 Wochen alten männlichen Säugling, der nach guter postnataler Adaptation sein Geburtsgewicht bei der U3 noch nicht wieder erreicht hatte. In den Tagen davor erbrach er dreimalig im Schwall. Im Serum wurde eine Hyponatriämie von minimal 104 mmol/l festgestellt bei einem Serumkalium von 7,1 mmol/l. Klinisch zeigte der Junge eine Dehydratation mit stehenden Hautfalten und halonierten Augen; sein Trinkverhalten war ausgezeichnet mit normalen Milchmengen. Das Neugeborenen-Screening bezüglich 17-OH-P war anamnestisch unauffällig.

Therapie: Therapeutisch erfolgte der langsame Natrium-Ausgleich durch intravenöse Natriumchlorid-Zufuhr, anfangs mit 14,4 mmol Na/kg und Tag, später mit wechselnder Natrium-Menge über insgesamt 3½ Tage mit einem Natrium-Anstieg von maximal 0,5 bis 1 mmol/l und Stunde. Ab dem 4. Tag erfolgte bei normalen Serum-Natriumwerten die Reduktion und Umstellung auf orale Natrium-Gaben. Bei V.a. Aldosteronsynthese-Störung wurde Astonin H (9-alpha-fluorohydrocortisone) 0,04mg/kg/d p.o. in 3 ED angesetzt; später nach Diagnosestellung wurde zusätzlich mit Hydrocortison 11,5mg/m2 p.o. substituiert. Darunter zeigte der Junge stabile Serum-Elektrolyt-Werte und einen komplikationslosen Verlauf.

Diagnostik: Das Kontroll-Neugeborenen-Screening ergab ein auf das doppelte der Norm erhöhtes 17-OH-P. Aldosteron war unter der Nachweisgrenze, Renin war erhöht. Cortisol fand sich in der ersten Blutentnahme mit 12,4µg/dl im Normbereich, DHAS und Testosteron waren im Normbereich, Androstendion war stark erhöht. Im ACTH-Test zeigte sich ein erniedriges basales Cortisol mit 0,2µg/d, nach ACTH war das Cortisol 2,8µg/dl (fehlende Stimulierbarkeit). Diese Konstellation spricht für eine primäre NNR-Insuffizienz (M. Addison) und legt den V.a. DAX-1-Mutation in Sinne einer ‘kongenitalen adrenalen Hypoplasie’ nahe. Die molekulargenetische Unter-suchung bestätigte diese Verdachtsdiagnose. Somit liegt bei unserem Patienten eine primäre x-chromosomal rezessive NNR-Insuffizienz vor.

Schlussfolgerung: Bei einer extremen Hyponatriämie im Säuglingsalter sollte der Ausgleich mit Natrium anfangs langsam i.v. mit einem Natrium-Anstieg im Serum von maximal 0,5 bis 1 mmol/l und Stunde erfolgen. Damit können schwere Nebenwirkungen durch einen zu raschen Anstieg des Natriums vermieden werden.

Die kongenitale adrenale Hypoplasie bei DAX-1-Mutation sollte in der Differentialdiagnose der Hyponatriämien berücksichtigt werden.