Neuropediatrics 2006; 210 - V35
DOI: 10.1055/s-2006-946317

Eingeschränkte Affinitätsreifung von IgG- und IgA-Antikörpern bei Frühgeborenen und Reifgeborenen

M Zemlin 1, G Hörsch 1, C Zemlin 2, A Pohl 3, K Bauer 4, R Maier 1
  • 1Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Marburg
  • 2Klinik für Gynäkologie, Marburg
  • 3Klinik für Neonatologie Charité CBF, Berlin
  • 4Neonatologie Goethe-Universität Frankfurt, Frankfurt a. M., D

Hintergrund: In den lymphatischen Keimzentren entstehen in den Immunglobulin-Genen der IgG- bzw. IgA-produzierenden B-Lymphozyten zufällige somatische Mutationen. Während einer Immunreaktion werden diejenigen Lymphozyten angereichert, deren Mutationen zu einer Affinitätssteigerung führen (Antigen-spezifische Selektion).

Fragestellung: Wie entwickelt sich nach der Geburt die Mutationsrate (MR) in den IgG- und IgA-Antikörpern? Zeigen die somatischen Mutationen Charakteristika der Antigen-spezifischen Selektion?

Methodik: Es wurde Nabelschnurblut und venöses Blut von Frühgeborene (FG, 24–28 SSW, n=23) und Reifgeborenen (RG, 37–42 SSW, n=32) bis zum postnatalen Alter von 28 Wochen sowie venöses Blut von 5 Erwachsenen untersucht. Der für die Antigenbindungsstelle der schweren Immunglobulinkette kodierende Gen-Abschnitt wurde aus RNA mit einer IgG- bzw. IgA-spezifischen RT-PCR amplifiziert und kloniert. 20–30 zufällig ausgewählte Amplifikate von jeder Blutprobe wurden sequenziert, die verwendeten Gen-Abschnitte identifiziert und die MR (Mutationen pro 100 Nukleotide) ermittelt. Mit multinominaler Analyse wurde geprüft, ob die somatischen Mutationen zufällig verteilt waren (Nullhypothese).

Ergebnisse: Die MR in IgG nahm postnatal bei FG und RG signifikant zu (FG: Pearson's r2=0,44; RG: r2=0,60; jeweils p<0,001) und erreichte im postnatalen Alter von 28 Wochen 1,5–2% (Erwachsene: 7%). In IgA stieg die Mutationsrate bei RG bis auf 1,5% an (r2=0,52, p<0,01), blieb jedoch bei FG unverändert niedrig (0,9%) (r2=0,11, p=0,26) und lag bei Erwachsenen um 7%. Die MR von IgA und IgG aus derselben Patientenprobe korrelierten signifikant (p<0,001). Der Anteil hochmutierter Sequenzen (MR >6%) in IgG und IgA lag bei den Erwachsenen-Blutproben bei 60%, wohingegen 85% der Blutproben von FG und RG keine einzige hochmutierte Sequenz enthielten. Hinweise für eine Antigenselektion in mutierten IgG- und IgA-Sequenzen fanden wir in 42% der Erwachsenen- und in 31% der FG- und RG-Sequenzen (p<0,05 Chi2 Test). Eine signifikante Korrelation zwischen postnatalem Alter und dem Anteil Antigen-selektierter Sequenzen war nicht nachweisbar.

Schlussfolgerungen: Die Anzahl der somatischen Mutationen in peripheren B-Lymphozyten nimmt bei IgG von FG und RG postnatal schneller zu als bei IgA, ist aber im postnatalen Alter von 28 Wochen gegenüber Erwachsenen noch deutlich eingeschränkt. Bei FG nimmt die Anzahl somatischer Mutationen bei IgA und bei IgG langsamer zu als bei RG. Bei FG sind gegenüber Erwachsenen sowohl die enzymatische Erzeugung von somatischen Mutationen in den Immunglobulin-Genen als auch die Affinitätsreifung stärker eingeschränkt als bei RG.

DFG-Förderung: SFB/TR22 und BA1187/6–1.