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DOI: 10.1055/s-2006-946314
Pneumokokkenmeningitiden im Kindesalter – retrospektive Datenanalyse an einer Universitätskinderklinik und ihre Konsequenz im klinischen Alltag
Nach Angaben der WHO ist Streptococcus pneumoniae weltweit einer der häufigsten Erreger von Bakteriämien, Pneumonien, Meningitiden, Otitiden und Sinusitiden, wobei die Inzidenz invasiver Pneumokokkenerkrankungen im Kindesalter in den ersten 2 Lebensjahren am höchsten ist. Unter den invasiven Pneumokokkenerkrankungen ist die Pneumokokkenmeningitis aufgrund ihrer hohen Morbidität und Letalität (ca. 10%) am gefürchtetsten. So erleiden 20–30% der erkrankten Kinder bleibende Restschäden wie einen Hörverlust oder neurologische Schäden.
Wir analysierten retrospektiv die Daten der in unserer Einrichtung von Dezember 1997 bis September 2005 an einer Pneumokokkenmeningitis oder deren Folgeerscheinungen behandelten Kinder. Von 16 Kindern waren Jungen (n=9) 1,3 mal häufiger betroffen als Mädchen (n=7). Knapp 69% der Kinder waren bei Erkrankungsbeginn jünger als 2 Jahre, nur ein Patient älter als 5 Jahre. Hierbei handelte es sich um einen VP-Shunt-versorgten schwerstgeschädigten Jungen. Die Anzahl der Folgeerscheinungen nach Pneumokokkenmeningitis in unserem Krankengut war erschreckend (rezidivierende Krampfanfälle (n=2); Hydrocephalus (n=3); neurologisches Defizit/Entwicklungsrückschritt (n=11); Hörverlust bis zur Taubheit (n=5); Sinusvenenthrombose und Sehminderung je (n=1)) – kann jedoch nur teilweise auf den negativ selektiven Einfluss durch Verlegung schwerstkranker Kinder an eine universitäre Einrichtung erklärt werden. Im gleichen Zeitraum wurde anhand von Blutkulturen Streptococcus pneumoniae auch als Ursache für andere invasive Erkrankungen bei 19 Kindern nachgewiesen, darunter 6 Patienten mit Pneumonie, je zwei Patienten mit Otitis media, Harnwegsinfekt und Osteomyelitis sowie 4 Kinder mit Sepsis in der Markaplasie nach Chemotherapie einer malignen Erkrankung. Für Kinder unter 2 Jahren ist in Deutschland aktuell ein 7valenter Polysaccharidimpfstoff erhältlich, welcher die Serotypen 4, 6B, 9V, 14, 18C, 19F sowie 23F abdeckt. Betrachtet man nun die in unserer Kohorte serotypisierten Pneumokokkenstämme, so wäre nur je einer der 5 für Meningitiden und einer der 7 für andere invasive Erkrankungen verantwortliche Pneumokokkenserotyp (beidesmal 7F) nicht mit oben genanntem Impfstoff abgedeckt.
Obwohl die Pneumokokkenmeningitis eine eher seltene Erkrankung im Kindesalter darstellt, so bedeutet sie für betroffene Kinder (und deren Familien) häufig einen schweren Einschnitt in die normale Entwicklung bzw. Funktionseinbußen durch Folgeerscheinungen. Der aktuell in Deutschland für Kinder unter 2 Jahren zugelassenen Impfstoff deckt zwar nicht alle möglichen für invasive Pneumokokkenerkrankungen ursächliche Serotypen ab, kann jedoch die Anzahl der Erkrankungen auch im Sinne einer Herdenimmunität deutlich senken. Außerdem könnte eine Impfung auch der zunehmenden Resistenzentwicklung der Erreger gegen verschiedene Antibiotika (vor allem Makrolide und Lincosamine bei den hier untersuchten Patienten) Rechnung tragen.