Neuropediatrics 2006; 210 - V12
DOI: 10.1055/s-2006-946294

Vaginaler versus abdominaler Geburtsmodus und Prognose von Frühgeborenen

SD Kahlert 1, AW Flemmer 1, S Herber-Jonat 1, U Hasbargen 1, A Strauss 1, A Schulze 1
  • 1Ludwig-Maximilians-Universität, München, D

Hintergrund: Die Diskussion um den optimalen Geburtsmodus bei Frühgeborenen ist aktuell, insbesondere, nachdem die Rate elektiver Sectiones weiterhin steigt. In unserem Perinatalzentrum wird bei Frühgeburtlichkeit die Indikation zur Schnittentbindung großzügig gestellt und gleichzeitig ein aktives Management der Reanimation spätestens ab 24+0 SSW verfolgt.

Methoden: In dieser retrospektiven Untersuchung wurden alle frühgeborenen Einlinge und Mehrlinge von 2000 bis 2004 (n=1519, davon 969 Einlinge) zwischen 23+0 und 36+6 SSW auf 5min-Apgar-Wert (Apgar5), Nabelschnur-pH (pH), Base-Excess (BE), sowie Mortalität, intrakranielle Pathologie (Hirnblutungen I-IV°, PVL und Hydrocephalus) und neurologische Auffälligkeiten im stationären Verlauf untersucht und die Assoziation des Geburtsmodus (vaginal versus abdominal) mit diesen Endpunkte multivariat berechnet. Ausgeschlossen wurden Fälle von präpartal diagnostizierten intrauterinen Fruchttod oder letalen Fehlbildungen.

Ergebnisse: Die Rate an vaginalen Entbindungen betrug: 65% (23+0–23+6 SSW), 11% (24+0–24+6 SSW), 27% (25+0–25+6 SSW), 9% (26+0–27+6 SSW), 6% (28+0–31+6 SSW) und 35% (32+0–36+6 SSW). Apgar5, pH und BE zeigten keine signifikante Assoziation mit dem Geburtsmodus.

Inklusive 4 Totgeburten sub partu starben 44 Kinder. Die Mortalität zeigt eine eindeutige Korrelation mit dem Gestationsalter: 60% (23+0–23+6 SSW), 31% (24+0–24+6 SSW), 21% (25+0–25+6 SSW), 3% (26+0–27+6 SSW), 3% (28+0–31+6 SSW) und 0,3% (32+0–36+6 SSW). Im multivariaten Modell zeigten sich als unabhängige Risikofaktoren für die Mortalität: Gestationsalter, IUGR, fehlende Steroidprophylaxe, Multiparität und Notfall als Entbindungsgrund. Der Geburtsmodus zeigte keine signifikante Assoziation. Bei Einschränkung der Auswertung auf Einlingsgraviditäten bleiben dieselben Risikofaktoren signifikant, auch hier ist der Geburtsmodus nicht signifikant mit der Mortalität assoziiert.

Auch bezüglich der Raten an intrakranieller Pathologie und an neurologischen Auffälligkeiten fand sich keine signifikante Assoziation des Geburtsmodus, sondern vor allem des Gestationsalters. Bezüglich der Neurologie waren auch männliches Geschlecht, spontaner Beginn der Frühgeburt (vs. medizinischer Indikation zur vorzeitigen Beendigung der Schwangerschaft), Einlingsgravidität und Vorliegen einer IUGR signifikante Risikofaktoren; Vorliegen eines Blasensprungs war mit signifikant geringerer Rate an Neurologie verbunden.

Schlussfolgerung: Zusammenfassend zeigt sich in unseren Daten keine signifikante Assoziation des Geburtsmodus mit den untersuchten Prognoseparametern. Wegen der Kaiserschnittentbindung als de facto Regelentbindungsmodus in unserer Klinik stellen die Fälle von vaginaler Geburt aber eine positive Selektion besonders günstiger Umstände dar. Dadurch könnte tatsächlich ein positiver Aspekt für die Prognose entstehen. Dieser wäre nur über eine prospektiv-randomisierte Studie zu evaluieren.