Z Geburtshilfe Neonatol 2006; 210 - P113
DOI: 10.1055/s-2006-946203

3p25-Deletionssyndrom mit atrioventrikulärem Septumdefekt. Eine Genotyp-Phänotyp-Korrelation

A Kaufhold 1, PM Kroisel 2, JP Haas 1, H Tomczak 1, S Armbrust 1, H Tönnies 3, B Stiller 4, C Fusch 1
  • 1Universitätskinderklinik Greifswald, Greifswald
  • 2Universitätsinstitut für Humangenetik Greifswald, Greifswald
  • 3Institut für Humangenetik der Charité Berlin, Berlin
  • 4Deutsches Herzzentrum Berlin, Berlin, D

Fragestellung: Wir berichten über ein männliches Frühgeborenes (27 + 5/7 Schwangerschaftswochen, Geburtsgewicht 970g) mit fazialen Dysmorphiezeichen, postaxialer Hexadaktylie, Hypospadie, Leistenbrüchen, Dermalsinus, Tränennasenwegsstenose sowie komplettem atrioventrikulärem Septumdefekt (cAVSD) vom Intermediärtyp. Die Chromosomenanalyse ergab eine terminale Deletion des kurzen Arms eines Chromosoms 3 entsprechend dem Karyotyp 46,XY,del(3)(p25). Der Phänotyp unseres Patienten entsprach weitgehend dem nur mehr als 20 beschriebener Patienten mit 3p25-Deletionssyndrom. Das Ergebnis der operativen Korrektur des cAVSD mit Mitralklappenrekonstruktion im 5. Lebensmonat und postoperatives Gedeihen waren gut. Im Verlauf aber hatte das Kind wiederholt bronchopulmonale Infekte und zunehmend Zeichen kardialer Dekompensation trotz intensivierter diuretischer und Nachlast senkender Therapie. Neuropädiatrisch fanden sich allgemeine muskuläre Hypotonie, Ptosis (eins der am meisten charakteristischen klinischen Zeichen des Syndroms) und eine schwere globale Entwicklungsstörung. Im Alter von 11 Monaten bekam das Kind generalisierte Krampfanfälle. Es starb im Alter von 12 Monaten in arterieller Hypotonie und Oligourie. Ziel dieser Darstellung ist es, klinische und humangenetische Befunde des Patienten miteinander zu korrelieren. Methodik: Nach konventioneller Zytogenetik wurden komparative Genomhybridisierung (CGH), Microarray-basierte CGH sowie Mikrosatellitenanalyse durchgeführt. Die Befunde wurden mittels humangenetischer Datenbanken wie Online Mendelian Inheritance in Man interpretiert. Ergebnisse: Es gelang die exaktere Zuordnung der etwa 11,47 Megabasen großen de novo-Deletion 3p25.3 bis 3p26.3 zum paternalen Haplotyp. In dieser Region sind derzeit gut 70 Gene bekannt. Die Mehrzahl dieser Gene wird autosomal-rezessiv vererbt und wird bei Vorliegen des zweiten Allels ohne Mutation zu keinem Krankheitsbild führen. Einige der Erbanlagen können wegen des autosomal-dominanten Erbgangs (AD-EG) zu Symptomen führen: (i) Die Deletion des Zelladhäsionsmolekül cysteine-rich protein with EGF-like domains 1 (CRELD1)-Gens erklärt das Vorliegen des AVSD. (ii) Das Gen für Caveolin 3, ein Strukturprotein gestreifter Muskelzellen, bei Mutation ursächlich für Gliedergürtelmuskeldystrophie mit AD-EG, ist ebenfalls deletiert. Die Kontraktilität des Herzmuskels unseres Patienten erschien nicht beeinträchtigt. (iii) Haploinsuffizienz von Contactin 4 wurde mit Entwicklungsverzögerung bei Patienten mit 3p-Deletionsyndrom korreliert. (iv) Von CHL1, welches Cell Adhesion Molecule L1-Like kodiert, wird eine Bedeutung in der Entstehung kognitiver Defizite angenommen. Schlussfolgerung: Bei einigen dominant wirkenden Genen von 3p25pter lässt sich ein Zusammenhang mit dem klinischen Verlauf des Patienten mit 3p25-Deletionssyndrom herstellen, auch wenn sie wie z.B. CRELD1 für AVSD die Entstehung des Merkmals nicht monogenetisch verursachen, aber dabei beteiligt sind.