Zentralbl Gynakol 2006; 128 - P1_4
DOI: 10.1055/s-2006-944464

Bewertung putativer BRCA1/BRCA2-Spleißmutationen hinsichtlich einer genetische Prädisposition für Brust- und Eierstockkrebs

E Honisch 1, S Theiss 1, L Hartmann 1, B Betz 1, H Schaal 1, D Niederacher 1
  • 1Düsseldorf

Das Entfernen nicht-kodierender Bereiche (Introns) aus dem Primärtranskript und das korrekte Zusammenfügen der kodierenden Exons eines Gens kann mutationsbedingt fehlerbehaftet sein und zum völligen Verlust dieses Proteins oder zur Expression eines Proteins mit veränderten Eigenschaften führen. Mit Stand vom 09.02.2006 sind in der Human Gene Mutation Database (HGMD) in 1.973 krankheitsassoziierten Genen 50.055 Mutationen – davon allein 4.761 Spleißmutationen – dokumentiert. Statistisch gesehen, entfallen damit auf jedes krankheitsassoziierte Gen mindestens 2,4 Spleißmutationen. Im Rahmen genetischer Beratungen ist die Beurteilung identifizierter Sequenzveränderungen, wie z.B. Punktmutationen mit/ohne entsprechenden Aminosäureaustauschen und Mutationen im Bereich der Exon/Intron-Übergänge hinsichtlich ihrer klinischen Relevanz problematisch. Für die Gene BRCA1 und BRCA2 sind in der internationalen Datenbank BIC (breast cancer information core) über 1000 Sequenzvariationen als „unspecified variant“ spezifiziert, d.h. ohne Aussage, ob diese Sequenz-Veränderungen als pathogen klassifiziert werden können. Darüber hinaus sind etwa 250 Mutationen in den Exon/Intron Grenzbereichen beschrieben, deren Bewertungen hinsichtlich ihrer Pathogenität über herkömmliche Vergleiche zu Konsensus-Sequenzen abgeleitet sind, die nur in wenigen Fällen experimentell als funktionelle „splice-site“ Mutationen verifiziert wurden. Der Nachweis der pathogenen Funktion einer Sequenzveränderung durch einen experimentellen Ansatz und/oder durch zuverlässige Berechnungsmodelle ist für Ratsuchende aus Risikofamilien insbesonders im Zusammenhang mit einer prädiktiven genetischen Diagnostik von großer Bedeutung. Basierend auf einer experimentell gestützten systematischen Mutationsanalyse haben wir einen Algorithmus entwickelt, der eine Bewertung krankheitsrelevanter Sequenzvariationen in der Spleißdonorstelle, die aberrantes Spleißen bedingen, ermöglicht. Aufbauend auf diesen Algorithmus wurde ein Internet-kompatibles Programm entwickelt, das nun innerhalb eines Internet-Portals zur freien interaktiven Nutzung zur Verfügung steht (www.uni-duesseldorf.de/RNA). Mithilfe dieses Programms wurde die Klassifizierung von publizierten putativen BRCA1/BRCA2 Spleißmutationen überprüft. An repräsentativen Beispielen konnte die Vorhersage aberranter Spleißefffekte mittels Mini-Gen-Konstrukten experimentell verifiziert werden. Der interaktive Charakter des Internet-Portals führt zur ständigen Erweiterung der darin integrierten Datenbank mit Beispielen zur Bewertung der funktionellen Bedeutung krankheitsrelevanter Spleißmutationen. Die über diese Internet-Seite abrufbaren Informationen bieten somit eine wertvolle Hilfe bei der Befundinterpretation im Rahmen einer prädiktiven Analyse genetisch bedingter Krankheiten.

(unterstützt durch die Krebsgesellschaft Nordrhein-Westfalen e.V.)