Pneumologie 2006; 60(10): 642-651
DOI: 10.1055/s-2006-944301
Kongressbericht
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

COPD und Schlaf

Symposiumsbericht[*] COPD and Sleep Vorsitz: Harald  Morr1 , Berichterstattung: Gratiana  Steinkamp2
  • 1Pneumologische Klinik Waldhof Elgershausen, Greifenstein
  • 2Klinische Forschung, Medizinisch-wissenschaftliches Publizieren, Hannover
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Publication Date:
17 October 2006 (online)

Neuro-/Psychophysiologie des gesunden und gestörten Schlafes

Referent: Gunther Essinger, Zentrum für Psychiatrie, Calw-Hirsau

Ein wesentliches Merkmal der Funktion des Gehirns ist seine Arbeit in komplexen Netzwerken. Das Gehirn ist ständig aktiv und nimmt Reize von innen und außen wahr. Dabei ist es in der Lage, extrem zu fokussieren und die Wahrnehmungsverarbeitung auf 5 % aller in der Umgebung vorhandenen Reize einzuschränken. Die unzähligen Möglichkeiten der Verschaltung erlauben dem Gehirn zudem, sehr flexibel zu reagieren, es besitzt eine enorme Plastizität, die sich bis auf morphologische und zelluläre Veränderungen auswirken. So wurde z. B. die frühere Auffassung, dass sich Neuronen nicht teilen können, inzwischen revidiert. Auch im höheren Alter können sich Nervenzellen noch teilen und so zur Umgestaltung der Strukturen beitragen.

Warum müssen wir schlafen? Nach heutiger Auffassung hat der Schlaf zwei wichtige Funktionen, die sich im REM-Schlaf und im Non-REM-Schlaf manifestieren. Diese beiden Schlafstadien lassen sich auch bei Tieren nachweisen. Je höher das Tier entwickelt ist und je höher das kortikale Gewicht, desto größer ist die Differenzierung zwischen REM- und Non-REM-Schlaf-Phasen.

Im Laufe des Lebens verändert sich der Anteil der jeweiligen Schlafphasen. Säuglinge haben ein Schlafmuster, das durch REM-Schlaf dominiert wird. Mit zunehmendem Lebensalter nimmt der relative Anteil von Non-REM-Schlaf zu. Grund dafür sind Veränderungen der neuronalen Struktur der Großhirnrinde. In ihren äußeren 2 - 3 Schichten befinden sich die Neuronen, die für bewusstes Handeln und komplexe Bewegungen eine Rolle spielen. In der vierten und fünften Schicht liegen GABA-erge, hemmende Neuronen, die diese Aktivität bremsen. Die Dichte dieser hemmenden Neuronen ist bis zur Pubertät sehr hoch. In der Pubertät nehmen die hemmenden Einflüsse der tieferen kortikalen Schichten ab, Neurone der oberen Schichten verschalten sich neu und im Schlaf nehmen die Non-REM-Aktivitäten zu. Im Endeffekt ändern sich die Wahrnehmung und die Assoziationen bzw. Zuordnung in das Wertesystem des Individuums gleichsam mit der Sozialisation zum Erwachsensein. Das EEG zeigt bei Kindern dementsprechend ein anderes Grundmuster als bei Erwachsenen.

Evolutionsorientierte Wissenschaftler betrachten den REM-Schlaf als entscheidend für die Weiterentwicklung des Geistes. Im REM-Schlaf werden Eindrücke, emotionale und seelische Ereignisse des Tages so verarbeitet, dass sie auch vergessen und verdrängt werden können. Diese Funktion ist wichtig, um die Leistungsfähigkeit im Alltag zu erhalten. Die REM-Aktivität spielt für die psychische Stabilität eine besonders wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass bei psychiatrischen Erkrankungen gerade der REM-Schlaf häufig gestört ist.

Im Non-REM-Schlaf geht es vor allem um die Regeneration körperlicher Funktionen und der metabolischen Ökonomie. Sollwerte des Körpers müssen erhalten und die „Batterien wieder aufgeladen” werden.

Die Schlafzentralen des Gehirns befinden sich im Hirnstamm bzw. in der Brücke. Der Non-REM-Schlaf wird durch verschiedene Neuronengruppen gesteuert. Hemmende aminerge Neurone liegen in dorsalen Raphekernen und noradrenerge und serotonerge Neurone im Locus coerelius. Im gigantozellulären Feld der Brückenhaube liegen cholinerge Neuronen, die den REM-Schlaf steuern. Auch aktivierende Zellen mit noradrenerger Neurotransmission tragen zur Steuerung des Schlafes bei.

Die Synchronisation von Neuronen ist Voraussetzung für die Ableitung eines EEGs. Neurone funktionieren grundsätzlich nur im Verbund, nie allein. Dieses Zusammenspiel ist von entscheidender Bedeutung und macht z. B. im Schlaflabor Funktionszustände interpretierbar. Das funktionierende, wache Gehirn zeigt z. B. „Alpha-Wellen” mit einer Frequenz von 8 - 12 Hz. Dieses Muster besteht nicht überall, sondern in der Hirnrinde und im medialen Thalamus. Subkortikale Strukturen fallen in der Grundfrequenz ab, sie sind „graphisch” nachgestellt und können über der Hirnrinde nur schwer wahrgenommen werden. So ist beispielsweise der Hirnstamm mit Frequenzen von 0,5 - 1 Hz synchronisiert. Im Non-REM-Tiefschlaf sind kortikale Regionen inaktiv, und man findet im EEG Delta- und Theta-Wellen. Theta-Wellen im REM-Schlaf zeigen eine komplexe Aktivierung und eine Interaktion mit subkortikalen Assoziationszentren an. Dies weist auf das Verarbeiten von Reizen im neuronalen Netzwerk hin.

Einige Beispiele verdeutlichen diese Erkenntnisse. So zeigte ein EEG von einer Fibromyalgie-Patientin Alpha-Überlagerungen der Delta-Wellen. Nach der Internationalen Klassifikation der Schlaferkrankungen (ICSD) ist dieser Alpha-Delta-Tiefschlaf ein markantes Zeichen bei chronischer Müdigkeit/Fibromyalgie. Hier könnte es sich um ein Phänomen handeln, das mit einer Sollwert-Verstellung zu tun hat. Schmerz ist neben Müdigkeit eines der Hauptsymptome der Fibromyalgie, und man nimmt eine gestörte Schmerzverarbeitung der Patienten an. Der Hypothalamus/Thalamus ist die Hirnregion, die Schmerz entweder blockiert oder ihn an andere Bereiche weiter meldet. In der gleichen Region liegen aber auch die Neuronengruppen, die die Alpha-Triggerung des Kortex im Wachzustand vornimmt. Wenn es bei Fibromyalgie im Schlaf teilweise „falsche” Aktivierungen aus diesen Regionen gibt und damit insbesondere Non-REM-Aktivität gestört ist, fühlt sich der Patient trotz des ausreichenden Tiefschlafs ungenügend erholt.

Ein anderes klinisches Beispiel sind depressive Patienten. Sie zeigen im Schlaf erhöhte REM-Aktivität und eine höhere REM-Dichte; ihre Schlafbalance ist nicht in Ordnung. Dadurch gelingt es dem Depressiven nicht, die emotionalen Belastungen und Tagesreste adäquat zu verarbeiten. Schlafentzug wirkt bei depressiven Patienten therapeutisch antidepressiv, besonders bei denjenigen mit so genanntem Morgen-Tief.

Fast alle antidepressiven Medikamente reduzieren den ausgedehnten REM-Schlaf und bewirken so eine physiologische Entlastung des Gehirns. Auch bei Patienten mit Insomnie findet man häufig ein typisches depressives Schlafmuster, das mit Antidepressiva gut behandelt werden kann.

Viele Aussagen des Vortrages sind hypothetisch, sie zeigen aber, wie plausibel über die Interpretation der im EEG sichtbaren Graphoelemente, basierend auf Erkenntnissen der Physiologie Schlüsse auf Ursachen und Behandlungsstrategien zu ziehen sind.

1 Symposium Schlossgut Oberambach 7. - 8. 10. 2005 (mit freundlicher Unterstützung der Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG).

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1 Symposium Schlossgut Oberambach 7. - 8. 10. 2005 (mit freundlicher Unterstützung der Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG).

Prof. Dr. med. Gratiana Steinkamp

Klinische Forschung Medizinisch-wissenschaftliches Publizieren

Schellingstr. 5a

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