Diabetologie und Stoffwechsel 2006; 1 - A70
DOI: 10.1055/s-2006-943795

Diabetes-Häufigkeit bei italienischen Kindern und Jugendlichen in Deutschland – eine epidemiologische Annäherung an die Pathogenese des Typ 1 Diabetes

S Ehehalt 1, P Popovic 1, S Muntoni 2, S Muntoni 2, A Willasch 3, R Hub 4, MB Ranke 4 A Neu 1, für die DIARY-Group Baden-Wuerttemberg
  • 1Universitätsklinikum Tübingen, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sektion Pädiatrische Endokrinologie und Abteilung III, Tübingen, Germany
  • 2Centre for Metabolic Diseases and Atherosclerosis, Cagliari, Italy
  • 3Johann Wolfgang Goethe Universität, Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Frankfurt, Germany
  • 4Universitätsklinikum Tübingen, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sektion Pädiatrische Endokrinologie, Tübingen, Germany

Ziel: Migrationsstudien geben wichtige Einblicke in die Pathogenese einer Erkrankung. Vor diesem Hintergrund wurde untersucht, wie sich die Häufigkeit des Typ 1 Diabetes bei Kindern in Deutschland verhält, welche aus Regionen mit sehr hoher (Sardinien) bzw. mit niedriger Inzidenzrate (Festland Italien) stammen.

Methoden: Deutsche und italienische Kinder und Jugendliche mit Diabetes-Manifestation wurden mithilfe des Baden-Württemberger (BW) Diabetes-Inzidenzregisters erfasst (Laufzeit 17 Jahre; Gesamtfallzahl n=4.017; Ascertainment 97,2%). Sardische Kinder und Jugendliche mit Typ 1 Diabetes wurden durch eine bundesweite Befragung aller Sardischen Clubs (n=16) sowie der italienischen katholischen Missionen in Deutschland (n=81) identifiziert (rund 400 Telefongespräche, 2.315 Fragebögen wurden verschickt). Doppelmeldungen konnten anhand der persönlichen Daten ausgeschlossen werden.

Ergebnisse:

(1) In Deutschland (BW) lebende deutsche Kinder und Jugendliche erkranken signifikant häufiger am Typ 1 Diabetes als in Deutschland (BW) lebende italienische Kinder und Jugendliche (IR 14,8/100.000/Jahr, 95%-CI 14,4–15,4 vs. IR 10,8/100.000/Jahr, 95%-CI 8,2–13,6).

(2) In Deutschland lebende italienische Kinder und Jugendliche erkranken gleich häufig am Typ 1 Diabetes wie in Italien lebende italienische Kinder (IR 10,8/100.000/Jahr, 95%-CI 8,2–13,6 vs. 8,4/100.000/Jahr, 95%-CI 7,9–8,9).

(3) In Deutschland lebende sardische Kinder leiden häufiger an einem Typ 1 Diabetes als in Deutschland lebende deutsche Kinder (Prävalenz 2,3%, 95%-CI 0,5–6,5 vs. 0,11%, 95%-CI 0,11–0,12).

(4) In Deutschland lebende sardische Kinder erkranken vergleichbar häufig am Typ 1 Diabetes wie auf Sardinien lebende Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren (2,3%, 95%-CI 0,5–6,5 vs. 0,30%, 95%-CI 0,27–0,32).

Schlussfolgerung: Kinder und Jugendliche aus Gebieten mit hohem bzw. mit niedrigem Erkrankungsrisiko behalten die Inzidenzrate des jeweiligen Herkunftslandes bei. Dies deutet darauf hin, dass genetische Faktoren die dominierende Rolle bei der Ätiopathogenese des Typ 1 Diabetes spielen.