Z Geburtshilfe Neonatol 2006; 210 - P10
DOI: 10.1055/s-2006-943185

Sekundärer Kupfermangel als Differenzialdiagnose der schweren Osteopenie eines Frühgeborenen mit Spontanfrakturen – Fallbericht –

B Wiebe 1, C Fremerey 1, U Pohlmann 1, M Ehlen 1, P Bartmann 2
  • 1Asklepios Klinik St. Augustin, St. Augustin, D
  • 2Universitätskliniken Bonn, Bonn, D

Einleitung: Kupfer ist Kofaktor der Lysyloxidase, die eine Quervernetzung von Kollagen- und Elastinmolekülen katalysiert. Im Tierversuch konnte gezeigt werden, dass Kupfermangel eine Beeinträchtigung der Stabilität des Kollagengerüstes des Knochens und dadurch Frakturen induzieren kann.

Wir berichten über ein Frühgeborenes von 25 Schwangerschaftswochen, das nach komplikationsreichem Verlauf im Alter von 10 Wochen zahlreiche Spontanfrakturen erlitt.

Fallbericht: Weibliches Zwillingsfrühgeborenes von 25 + 1 Schwangerschaftswochen, Geburt per Notsectio bei vorzeitiger Plazentalösung, Geburtsgewicht 490g, schwere postnatale Asphyxie, Atemnotsyndrom IV°, Langzeitbeatmung, BPD, Mekoniumpfropfsyndrom und Perforation in der 2. Lebenswoche, postnatal Hirnblutung mit Parenchymbeteiligung und Entwicklung eines posthämorrhagischen Hydrocephalus, langdauernde totale parenterale Ernährung, bereits am Ende der ersten Lebenswoche progrediente Cholestase.

In der 10. Lebenswoche Oberschenkelfraktur rechts, in der Folge multiple Frakturen der oberen und unteren Extremitäten. Nach Ausschluss einer Vitamin-D-Mangel Rachitis und engmaschiger Überprüfung des Calcium-Phosphatstoffwechsels unter optimierter Substitution, ließen sich niedrige Serumkupferspiegel (5.6µmol/l, Normalbereich 5.0–11.6µmol/l) und insbesondere Coeruloplasminspiegel (0.084g/l, Normalbereich 0.15–0.56g/l) als wahrscheinlichste Ursache dieser schweren Osteopenie nachweisen.

Radiologisch zeigten sich keine Hinweise auf eine Erkrankung aus dem Formenkreis der Osteogenesis imperfecta, jedoch die für einen Kupfermangel beschriebenen scorbutiformen Veränderungen. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Patientin bei ausgeprägter Cholestase mit einer stark im Kupfergehalt reduzierten Nahrung enteral ernährt. Nach Erhöhung der Kupferzufuhr rasch rückläufige AP, keine weiteren Frakturen und komplikationslose Abheilung.

Diskussion: Neben einer Schlüsselposition im Kollagenstoffwechsel spielt Kupfer in mindesten 30 weiteren Stoffwechselabläufen eine essenzielle Rolle, so z.B. als Koenzym der Superoxiddismutase, Cytochrom C Oxidase, Tyrosinidase und Dopamin-ß-Hydroxylase. Da sich ausreichende Kupferdepots im Organismus erst im letzten Schwangerschaftstrimenon bilden, ist gerade das extreme Frühgeborene praedestiniert, in der Wachstumsphase einen relativen Kupfermangel zu erleiden. Diesem Phänomen wird durch Kupfersupplementierung der Frühgeborenennahrungen in der Regel Rechnung getragen.

Zusammenfassung: Bei schwerer Osteopenie des Frühgeborenen sollte differenzialdiagnostisch an einen Kupfermangel gedacht werden. Die zentrale Stelle des Kupfers in zahlreichen Stoffwechselprozessen wird wahrscheinlich unterschätzt.