Psychiatr Prax 2006; 33(4): 201-202
DOI: 10.1055/s-2006-941627
Fortbildung und Diskussion
Kongressbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

100 Jahre Albert Hofmann: LSD - Sorgenkind und Wunderdroge, Basel, 13.-15. Januar 2006

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Publication Date:
08 May 2006 (online)

 

Anlässlich des 100. Geburtstages des LSD-Drogen-Erfinders Albert Hofmann veranstaltete die Gaia Media Stiftung einen dreitägigen Kongress im Baseler Kongresszentrum. Insgesamt kamen über 1600 Besucher bei doch recht hohen Eintrittspreisen und 200 Pressevertreter zu der Tagung. Atmosphärisch interessant gestaltete sich schon der Vorraum des Zentrums, in dem psychonautische Klänge und eine LSD-Ausstellung ein vor dem inneren und äußeren Auge buntes Bild boten. Ergänzt wurde dieses Panoptikum durch eine heutzutage wohl kaum noch anzutreffende Verdichtung an deutlich in die Jahre gekommenen Hippies, Ex-Hippies und anderen LSD-Jüngern. Das Interesse der überwiegenden Zahl der Besucher lag zweifelsfrei mehr auf dem Erreichen eines höheren Bewusstseinszustandes denn auf höheren akademischen Erkenntnissen. So fanden sich auch bei einigen hochkarätigen Vorträgen zur Grundlagen- und Anwendungsforschung nur eine Handvoll Zuhörer zusammen, während esoterischen Themen wie zum musikalischen Beweis der Harmonie des LSD-Moleküles der große Kongresssaal reserviert war.

Ergreifend zum Kongressbeginn war der Auftritt des Jubilars Albert Hofmann. Er entdeckte 1943 das LSD-Molekül auf der Suche nach einem Kreislaufstimulans durch einen zufälligen Selbstversuch [[1],[2]]. Ebenso identifizierte er das Psilocybin und entwickelte für Sandoz das Geriatrikum Hydergin, das Kreislaufmittel Hydergot und das in der Gynäkologie eingesetzte Methergin. Der rüstige 100-Jährige begeisterte das Publikum mit seinem Festvortrag, in dem er LSD als den Weg des zivilisierten Menschen aus den Fesseln der Entwurzelung zurück zur Natur pries. "Albert", so die Ansprache in den überwiegenden Beiträgen und in Zwischenrufen wurde gefeiert wie ein Superstar und später in Bodyguard-Begleitung aus der Halle geführt. Eine Ausschnitt der Rede als Videosequenz steht unter (http://www.drogenerkennung.de/LSD-Video.htm) zum Download bereit. Noch Tage später verbrachten manche Besucher viel Zeit darauf, einzelne Sätze Hofmanns gleich einer höheren Losung zu deuten und zu werten.

Im Rückblick auf die Geschichte des LSD zeigten sich tiefe Verflechtungen der Beteiligten. So berichtete der Verleger Klett über eine lange Freundschaft zwischen dem Vater des Verlegers, dem Jubilar, dem Schriftsteller Ernst Jünger und dem Psychiater Walter Frederking. Er wusste interessante Details über die Durchführung eines sehr speziellen Selbstversuches im häuslichen Umfeld mit psychedelischen Drogen zu berichten, die er als "Reise in den Orbit der Seele" bezeichnete. Rolf Verres aus Heidelberg begeisterte am Klavier in der Wiedergabe eines eigens für den Jubilar komponierten Stückes und wusste ebenfalls in einer sehr persönlichen Rede viel zum Menschen Hofmann zu schildern. Danach stand eine Deutung der Gestirnslage durch einen Astrologen an. Der Ethnobotaniker Rätsch entschlüsselte den Weg des LSD-Rausches in 7 Teilschritten, bisherige Veröffentlichungen seien von lediglich 5 Stadien ausgegangen (seine einleitenden Worte im Video: http://www.drogenerkennung.de/Raetsch.htm).

Der weitere allgemeine Teil des Kongresses reichte dann von stark antiamerikanisch gewichteten CIA-Verschwörungstheorien zum früheren Einsatz von LSD über polemische Vorträge zum Recht auf Rausch bis hin zu psychedelischen Trommelklangvariationen. Sehenswert war die Ausstellung zur LSD-Kunst mit Exponaten aus den letzten 60 Jahren.

Ersichtlich wurde, dass der LSD-Konsum seit dem Verbot Anfang der 70er-Jahre deutlich zurück ging, jedoch im Rahmen der "Peace, Love and Unity"-Bewegung Ende der 90er-Jahre wieder an Beliebtheit hinzugewonnen hat. Er steht jedoch noch weit hinter dem Konsum von anderen psychogenen Drogen, wie Ecstasy (MDMA), zurück und scheint sich derzeit eher auf eine sehr spezielle Klientel zu beschränken.

Die wissenschaftlichen Vorträge, die durchaus einen therapeutischen Einsatz des LSD und anderer Drogen entgegen dem weltweiten Verbot seit den auslaufenden 60er-Jahren nahe legen, boten interessante Ansätze: So berichtete Andrew Sewell aus seiner Harvard-Studie über eine erfolgreiche niedrig dosierte LSD-Therapie bei Cluster-Kopfschmerz. Franz Vollenweider, Zürich, demonstrierte Forschungszwischenergebnisse über die gelungene Verwendung von Psilocybin bei Essstörungen. Ebenso sei in der Schweiz Psilocybin im alkoholischen Delir erfolgreich eingesetzt worden. MDMA, Ecstasy, zeige Wirkung bei der Behandlung der Posttraumatischen Belastungsstörung, da hier eine gute Bearbeitung des traumatisierenden Ereignisses in der tiefenanalytischen Sitzung erzielt werden könne. Ein Vortrag über EEG-Veränderungen im LSD-Rausch aus der Baseler Psychiatrie blieb leider die Erklärung schuldig, welche Veränderungen denn nun auftreten sollen , erläuterte jedoch detailliert, wem für diese Studie genau zu danken sei. Das Forscher-Ehepaar Ann und Alexander Shulgin, beide inzwischen im 8. Lebensjahrzehnt und bekannt für die Eigensynthese von über 1000 Phenylethylamin- und Tryptaminderivaten mit anschließender Selbsttestung als "Bio-Essay" dieser Produkte [[3],[4]] bewies durch die alleinige Anwesenheit, dass die Toxizität dieser Stoffe sich wohl im Rahmen hält. Torsten Passie, Med. Hochschule Hannover, informierte über LSD in der Kognitionsforschung und unterstrich, bisher keinerlei Defizite durch LSD-Konsum nachweisen zu können. Offen blieb die Frage, warum derzeit an LSD-unerfahrenen Probanden geforscht wird, statt retrospektiv frühere Konsumenten, beispielsweise eben aus der anwesenden Hippie-Szene, in einer Verlaufsbeobachtung zu untersuchen.

Literatur

  • 26 Hofmann A . LSD - Mein Sorgenkind. München: Klett-Cotta/DTV, 1979. 
  • 27 Broeckers M . Liggenstorfer R . Albert Hofmann und die Entdeckung des LSD. Solothurn: Nachtschatten Verlag, 2006. 
  • 28 Shulgin A . Shulgin A . PiHKAL - A Chemical Love Story. Californien, USA: Transform Press, 1991. 
  • 29 Shulgin A . Shulgin A . TiHKAL - The Continuation. Californien, USA: Transform Press, 1997. 

Dr. med. Raoul M. Hecker

Evangelisches Krankenhaus

Elisabethenstift gGmbH

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