Deutsche Heilpraktiker-Zeitschrift 2006; 1(1/02): 29
DOI: 10.1055/s-2006-940237
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Pro und Contra
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Sinn oder Unsinn des IgG-Tests in der naturheilkundlichen Praxis - Contra

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Publication Date:
09 October 2006 (online)

 

Contra

Rationale bei der IgG-Diagnostik beachten

Bei der IgG-Diagnostik wird untersucht, ob im Blut IgG-Antikörper auf Nahrungsmittel vorhanden sind. Ein positiver Test sagt zunächst nur aus, dass sich der Körper mit einem Nahrungsmittel auseinander setzt, ohne dass dies gleich einer pathologischen Reaktion entsprechen muss. Bei stark positiven Werten könnte dies allerdings auch ein Hinweis auf eine Nahrungsmittelunverträglichkeit sein. Werden die identifizierten Nahrungsmittel konsequent ausgelassen, dann kommt es zwar zu einem Abfall der IgG-Werte - allerdings findet man nachfolgend dann einen Anstieg von IgG-Werten auf die Lebensmittel, die dann vermehrt verzehrt wurden. Der entscheidende Punkt jeglicher Anwendung von Diagnostik ist die Rationale für deren Einsatz, d.h. die Orientierung der Diagnostik am klinischen Bild, dem Krankheitsverlauf sowie den zu Grunde liegenden pathologischen Mechanismen. Nach meiner Erfahrung ist das Leaky-Gut-Syndrom - auf dessen Entstehen an dieser Stelle nicht eingegangen werden kann (siehe S. 25) - als häufigste Ursache von Nahrungsmittelunverträglichkeiten anzusehen. Den ersten Schritt einer sinnvollen patientenorientierten Vorgehensweise stellen somit die Verifizierung dieser Verdachtsdiagnose (Stuhl-Labor-Diagnostik) und eine entsprechende therapeutische Intervention im Sinne einer mikrobiellen Sanierung inkl. einer Anti-Pilz-Diät dar.

Erst nach Darmsanierung und Andauern der Beschwerden sollte eine weiter gehende Diagnostik durchgeführt werden - und zwar durchaus die Testung auf die individuelle Nahrungsmittelunverträglichkeit. Und dabei sollte man zum Wohle des Patienten auf die diagnostischen Tests zurückgreifen, die einerseits zuverlässige Ergebnisse liefern und andererseits den Patienten nicht mit zu hohen Kosten belasten. Unter Berücksichtigung dieser Kosten-Nutzen-Relation würde ich immer die Kinesiologie einer IgG-Testung vorziehen. Mit der Kinesiologie lässt sich eine Nahrungsmittelunverträglichkeit schnell und zuverlässig identifizieren. Sie hat außerdem den Vorteil, dass der Patient eigene Lebensmittel und Zubereitungen mitbringen kann, sodass eine individuelle Testung gewährleistet ist. Die IgG-Testung kann hingegen nur einzelne Lebensmittel, Zusatzstoffe etc. testen, aber eben nicht den Lieblings-Müsliriegel. Hinzu kommt, dass die IgG-Testung wesentlich teurer ist - bei fehlenden diagnostischen Vorteilen.

Zusammenfassend möchte ich feststellen, dass außerhalb des naturheilkundlichen Umfeldes sowohl die Kinesiologie, die EAV als auch die IgG-Testung als „Außenseitermethoden” bezeichnet werden. In diesem Kontext hat die IgG-Diagnostik den „Vorteil”, dass sie als Serum-Bestimmung Wissenschaftlichkeit suggeriert und damit manche Patienten und auch Krankenkassen beeindruckt. Die IgG-Bestimmung bietet jedoch keinerlei diagnostischen Vorteil gegenüber der Kinesiologie, ist aber wesentlich teurer, weshalb der Kinesiologie als diagnostische Methode bei Feststellung einer Nahrungsmittelunverträglichkeit sicher der Vorrang gegeben werden sollte. Darüber hinaus ist bei jeglicher Diagnostik immer zu beachten, in welcher Reihenfolge und wann sie eingesetzt wird. Bei Nahrungsmittelunverträglichkeit sollte daher als erster Schritt an ein Leaky-Gut-Syndrom gedacht und dieses entsprechend diagnostiziert und behandelt werden.

Siegfried Kämper

Am Stadtgarten 2 • 45883 Gelsenkirchen

Email: siegfried.kaemper@t-online.de

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