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DOI: 10.1055/s-2006-940117
Editorial
EditorialPublication History
Publication Date:
06 October 2006 (online)

In dieser Ausgabe werden sechs Originalarbeiten zu unterschiedlichen Themen der Rehabilitation sowie zusätzlich aktuelle Beiträge zum Persönlichen Budget und zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement vorgestellt. Im Mittelpunkt steht eine problemorientierte Bestandsaufnahme zum Klassifikationssystem der ICF, die im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften durchgeführt wurde. Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit wurde im Jahre 2001 nach langjähriger Vorarbeit von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verabschiedet. Sie wurde von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe aus den deutschsprachigen Ländern ins Deutsche übersetzt. Die deutschsprachige Fassung der ICF steht beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) zur Verfügung. Das DIMDI ist als Collaborating Center der WHO in das internationale Netzwerk für Klassifikationen (WHO-FIC Network) eingebunden und somit eng an internationalen Entwicklungen beteiligt.
Die ICF vollzieht in mehrfacher Hinsicht einen Paradigmenwechsel mit besonderer Relevanz für die Rehabilitation: Grundlage ist das biopsychosoziale Krankheitsmodell, nach dem Krankheit und Behinderung in einem engen gesellschaftlichen Zusammenhang zu sehen sind. Durch den Einbezug von Kontextfaktoren (Umweltfaktoren, personenbezogene Faktoren), die als Barrieren, aber vor allem auch als Förderfaktoren wirken können, sollen Stigmatisierungen von Menschen mit Behinderung vermieden und eine bessere soziale Integration erreicht werden. Die gesellschaftliche Teilhabe (Partizipation) stellt das zentrale gesundheitspolitische Ziel dar. Mit dem Sozialgesetzbuch IX wurde dieses Ziel in Deutschland für die Akteure im Gesundheitssystem festgeschrieben und allgemein verbindlich. Besondere Relevanz hat das Klassifikationssystem der ICF als Medium einer disziplinen- und sektorenübergreifenden Verständigung und Kommunikation.
Die ICF befindet sich national wie international in einer intensiven Implementierungsphase. Konzept und Systematik haben auch in Deutschland eine hohe Anwendungsbreite in Forschung und Praxis erfahren und besonders in der Rehabilitation eine hohe Akzeptanz gefunden. Die vielfach beteiligten Akteure, die umfangreichen Diskussionen sowie zahlreichen Anwendungsbereiche und Veröffentlichungen haben mittlerweile zu einer unübersichtlichen Situation hinsichtlich der verschiedenen Aktivitäten geführt. Es bestehen zwar ein Reihe von Informations- und Arbeitsplattformen (in Form von Tagungen, Arbeitskreisen, Schulungen usw.). Der aktuelle Stand der Anwendung und Entwicklung ist jedoch nur noch von wenigen Experten zu übersehen. Einerseits ist die Vielzahl der interessierten Akteure und Aktivitäten für eine Verbreitung der ICF unerlässlich. Gleichzeitig besteht jedoch die Gefahr, dass die nationalen Erfahrungen sich von den internationalen Entwicklungen tendenziell abkoppeln oder gar zu Sonderentwicklungen führen.
Aus diesem Grunde begrüßt die Schriftleitung die Initiative der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften, eine erste Bestandsaufnahme über die Umsetzungs- und Anwendungsbereiche mit Schwerpunkt auf Deutschland durchzuführen. Wir hoffen, dass diese Bestandsaufnahme einerseits zu einer weiteren Verbreitung des ICF-Konzepts beiträgt und andererseits weitere Hinweise für die Anwendung in Forschung und Praxis gibt. Eine Fortsetzung der Bestandsaufnahme wird ausdrücklich begrüßt.
Ihre Schriftleitung