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DOI: 10.1055/s-2006-939623
Optische Immissionen von Windenergieanlagen und gesundheitliche Beschwerden – ein Praxisbeispiel
Hintergrund: Seit einigen Jahren werden bundeseinheitlich Empfehlungen zur immissionsschutzrechtlichen Beurteilung von Belästigungen durch Lärm und optische Immissionen, wie den periodischen Schattenwurf und den Disco-Effekt, durch Windenergieanlagen von den Umweltbehörden angewendet. Bisher unbekannt waren Beschwerden von Anwohnern über weiß blitzende Feuer, die an Windenergieanlagen als Tageskennzeichnung für Luftfahrthindernisse angebracht werden können.
Problemstellung: Nach Inbetriebnahme eines Windparks mit zehn 125 m hohen Windenergieanlagen, die mit weiß blitzendem Feuer ausgestattet worden waren, lagen von mehreren Anwohnern der umliegenden Dörfer Beschwerden über eine Belästigung insbesondere durch gleißend-grelle Lichtblitze bei trübem und dunklem Wetter bzw. vor Sonnenuntergang vor. Diese wurden als unangenehm, irritierend und belästigend empfunden. Die Anwohner befürchteten kurz- und langfristige Gesundheitsschäden und fühlten sich durch das Auftreten unspezifischer Symptome (z.B. Kopfschmerzen, Nervosität) beeinträchtigt. Das Landesgesundheitsamt Brandenburg wurde vom zuständigen Gesundheitsamt um eine umweltmedizinische Stellungnahme gebeten. Darüber hinaus setzte sich das Landesgesundheitsamt mit der Argumentation betroffener Ärzte zum Zusammenhang von Lichtblitzen und der Auslösung definierter Krankheitsbilder (z.B. Migräne, epileptische Anfälle) und von Stress auseinander.
Ergebnisse: Für die durch weiß blitzende Feuer von Windenergieanlagen verursachten Immissionen gibt es bislang weder rechtsverbindliche Vorschriften noch Empfehlungen für Beurteilungskriterien und zur Bestimmung der immissionsschutzrechtlichen Erheblichkeitsgrenzen. Nach derzeitigem Erkenntnisstand können bei den im Immissionsschutz auftretenden Lichteinwirkungen physische Schäden am Auge ausgeschlossen werden. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen aber die Erfahrung, dass optische Immissionen als Stressor wirken und zu erheblichen Belästigungen führen können. Die von den Bewohnern geschilderten Beschwerden sprechen mindestens für eine Belästigungswirkung. Ob eine erhebliche Belästigung i.S. des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vorlag, konnte aufgrund der vorliegenden Informationen nicht beurteilt werden. Das Landesgesundheitsamt Brandenburg empfahl, alle Möglichkeiten zur Minimierung der Einwirkung durch weiß blitzende Feuer, die die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Kennzeichnung von Luftfahrthindernissen vorsieht, im Einvernehmen mit der zuständigen Luftfahrtbehörde zu nutzen.
Für den konkreten Einzelfall einer vermuteten gesundheitlichen Beeinträchtigung durch die Lichtblitze, z.-B. bei Migräne oder Epilepsie, empfahl das Landesgesundheitsamt Brandenburg eine ärztliche/fachärztliche Beratung.
Diskussion: Mit der Anwendung neuer Technologien kann es zum Auftreten bisher nicht bekannter/bewerteter gesundheitlicher Belästigungen und Beschwerden kommen. Die Bearbeitung von Fällen im Bereich des umweltbezogenen Gesundheitsschutzes stellt an die fachliche Sachkenntnis und Kompetenz sowie Kommunikationsfähigkeiten der Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden hohe Anforderungen. Umwelthygienische und -medizinische Fragestellungen sind in der Regel nur im engen Zusammenwirken der Behörden und Institutionen, der behandelnden Ärzte und natürlich der Betroffenen zu lösen.