Endoskopie heute 2006; 19 - P25
DOI: 10.1055/s-2006-939388

Ist eine routinemäßige perioperative Antibiotikaprophylaxe bei konventioneller und minimal-invasiver Hernienversorgung mit alloplastischem Material erforderlich?

JC Lauscher 1, JP Ritz 1, HJ Buhr 1
  • 1Charité Campus Benjamin Franklin, Chirurgische Klinik I, Berlin

Einleitung: Die Verwendung von alloplastischem Material in der Leistenhernienchirurgie hat in den vergangenen Jahren eine immer größere Verbreitung gefunden. Den vielen Vorteilen der Versorgung von Leistenhernien mit Kunststoffnetzen steht das Risiko der Infektion durch die Einbringung von Fremdmaterial gegenüber. Ziel dieser Studie ist es, den Einfluss einer perioperatven Single-Shot-Antibiotikaprophylaxe auf die Rate von Wundinfekten zu evaluieren.

Material/Methoden: In die Studie aufgenommen wurden alle Patienten, bei denen von 01/97 bis 06/05 eine uni- oder bilaterale Leistenhernie durch ein konventionelles (Lichtenstein) oder minimal-invasives (TEP/TAPP) Reparationsverfahren mit alloplastischem Material versorgt wurde. Ausschlusskriterien waren inkarzerierte Hernien und Notfalleingriffe. Von 01/97 bis 12/99 erfolgte keine perioperative Antibiotikaprophylaxe, seit 01/00 wurde eine perioperative Single-Shot-Antibiotika-Prophylaxe mit Cefotiam 2 Gramm intravenös durchgeführt. Peri- und postoperativer Verlauf und Komplikationen wurden durch ein EDV-gestütztes Online-Dokumentationssystem erfasst.

Ergebnisse: Zwischen 1/97 und 06/05 wurden 900 Patienten im Alter von 17–97 Jahren (Mittel 55,2 Jahre) mit 1049 Leistenhernien [davon 172 (16,4%) Rezidivhernien] in die Studie eingeschlossen. In 492 Fällen (davon 132 mal beidseitig) wurden die Leistenhernienoperationen total präperitoneal (TEP), in 51 (7) Fällen transabdominell präperitoneal (TAPP) und in 357 (10) Fällen nach Lichtenstein durchgeführt.Die OP nach Lichtenstein wurde 170mal mit und 187mal ohne Antibiotikaprophylaxe durchgeführt. Die TEP/TAPP wurde 194mal mit und 349mal ohne Antibiotikaprophylaxe durchgeführt. Die Rate an Hämatomen/Seromen lag in der Lichtenstein-Gruppe mit 4,5% signifikant höher als in der TEP/TAPP-Gruppe 2,1% (p<0,05). Antibiotikaprophylaxe hatte keinen Einfluss auf die Entstehung eines Seroms. Die Rate an Wundinfektionen lag in der Lichtenstein-Gruppe ohne Antibiose bei 4,7% und mit Antibiose bei 0% (p<0,003). In der TEPP/TAPP-Gruppe gab keinen signifikanten Unterschied (1,5 vs. 1,7%) (p=0,88).

Schlussfolgerungen: 1) Die konventionelle Leistenhernienversorgung mit Implantation alloplastischen Materials ist mit einem höheren Risiko an Wundinfekten behaftet als die minimal-invasive Technik. 2) Die Durchführung einer perioperativen Antibiotikaprophylaxe führt zu einer Reduktion der Wundinfektionsrate nach konventioneller Leistenhernienoperation. 3) Das Risiko für Wundinfektionen bei minimal-invasiven Leistenhernienoperation wird durch die Antibiotikagabe nicht beeinflusst. 4) Eine perioperative Antibiotikaprophylaxe sollte zur Senkung des perioperativen Infektionsrisikos bei konventioneller Leistenhernienoperation durchgeführt werden.