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DOI: 10.1055/s-2006-934253
Das ungelebte Leben von Psychosomatik-Patienten und Gesunden
Hintergrund: Früher einmal verfolgte Ziele, die aufgegeben und nicht realisiert wurden, sind ein Zielkonstrukt, das das „ungelebte Leben“ (V. von Weizsäcker) von Personen abbildet. Der Einfluss dieser „Regrets“ auf das Wohlbefinden und die Krankheitsgeschichte sind bisher in der Zielforschung kaum untersucht. In der Untersuchung wurde analysiert, ob sich Psychosomatik-Patienten und seelisch Gesunde (a) in Art und Anzahl der aufgegebenen Ziele unterscheiden, (b) ob die aufgegebenen Ziele im Leben der Patienten mehr Raum einnehmen und (c) ob das Aufgeben dieser Ziele eher im Sinne neuer Chancen oder im Sinne eines Verlustes interpretiert wurde. Stichprobe: 145 Personen nahmen an der Untersuchung teil (68 Gesunde, 77 Psychosomatik-Patienten). Methode: Die Teilnehmer erhielten Fragebögen (REGRETS, Pöhlmann, 2004), die (a) die Art der Regrets, (b) ihre Bewertung anhand von 14 Attributen (z.B. Bedeutsamkeit; Selbstwirksamkeit und Konfliktgehalt) und (c) die Gründe für das Aufgeben der Ziele erfassen. Ergebnisse: Patienten wiesen signifikant mehr Regrets auf als Gesunde. Sie nannten mehr aufgegebene Ziele in den Lebensbereichen Partnerschaft und Persönlichkeitsentwicklung und weniger im Bereich Freizeit. Psychosomatik Patienten maßen ihren Regrets ein höheres Maß an Wichtigkeit bei, erlebten subjektiv mehr Schwierigkeiten und empfanden mehr Stress und mehr negative Emotionen beim Verfolgen ihrer früheren Ziele. Ihre Selbstwirksamkeitüberzeugung war niedriger und ihre Regrets waren weniger positiv besetzt. Patienten nannten mehr (externe) Gründe, die außerhalb ihrer Kontrolle lagen. Schlussfolgerung: Psychosomatik-Patienten berichten mehr ungelebtes Leben als Gesunde. Nicht erreichte Ziele und die damit verbundene Gestaltung der Biographie können ein wichtiges Thema in der Psychotherapie sein.
Schlüsselwörter
Biografie - Lebensziele - Regrets - Therapieziele - ungelebtes Leben