Gesundheitswesen 2006; 68(11): 708-713
DOI: 10.1055/s-2006-927256
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Strategien gegen die Stigmatisierung psychisch kranker Menschen und ihre praktische Umsetzung am Beispiel des Irrsinnig Menschlich e. V.

Strategies Against the Stigmatisation of Mentally Ill Subjects and their Practical Realisation in the Example of Irrsinnig Menschlich e. V.I. Winkler1 , M. Richter-Werling2 , M. C. Angermeyer1
  • 1Universität Leipzig, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie
  • 2Irrsinnig Menschlich e.V., Leipzig
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
02. Januar 2007 (online)

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Zusammenfassung

Psychisch kranke Menschen sind in unserer Gesellschaft nach wie vor stigmatisiert und verschiedensten Formen der Diskriminierung ausgesetzt. Dabei kann zwischen individueller, struktureller und Diskriminierung aufgrund von Selbststigmatisierungsprozessen unterschieden werden. Mit welchen Strategien man diesen Formen der Diskriminierung konkret begegnen kann, soll exemplarisch anhand der Arbeit von Irrsinnig Menschlich e. V. in Leipzig gezeigt werden. Vorgestellt werden u. a. das Schulprojekt „Verrückt? Na und!” sowie das 2006 bundesweit durchgeführte Filmfestival „Ausnahmezustand”. Erste Ergebnisse der Evaluation beider Projekte zeigen, dass eine Reduzierung der Stigmatisierung durchaus erreicht werden kann. Es konnte u. a. nachgewiesen werden, dass Schüler, die an dem Schulprojekt teilgenommen haben, im Vergleich zur Kontrollgruppe eine geringere soziale Distanz gegenüber psychisch kranken Menschen zeigen. Das Filmfestival wurde zwar überwiegend von Menschen besucht, die entweder jemanden kennen, der psychisch krank ist, oder selbst von psychischer Krankheit betroffen sind. Trotzdem deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Betrachtung bestimmter Filme zu einer Abnahme der sozialen Distanz gegenüber psychisch kranken Menschen führt. Hinsichtlich der Wirksamkeit von Antistigmakampagnen zeigt sich, dass nur langfristig angelegte Antistigma-Initiativen Aussicht auf Erfolg haben. Dafür sind mit Irrsinnig Menschlich e. V. die Voraussetzungen geschaffen.

Abstract

In our society people with mental illness are still stigmatised and exposed to various forms of discrimination. Individual and structural discrimination and discrimination due to self-stigmatisation can be distinguished. The association “Irrsinnig Menschlich” (”Madly human”) in Leipzig will serve as a model to present approaches to reduce these different kinds of discrimination of mentally ill people. The school project “Crazy? So what!” and the film festival “Ausnahmezustand” (”state of emergency”), carried out all over Germany in 2006, will be described in more detail. The first evaluation of both projects showed a reduction of stigmatisation to be possible. Students participating in the project tended to decrease their social distance to the mentally ill. These developments were not present with the control groups. Although the majority of the audience at the film festival either knew somebody who is mentally ill or were themselves suffering from a mental illness, the results showed that watching these documentaries can result in a reduction of social distance towards mentally ill people. Only long-term efforts can make anti-stigma campaigns successful and effective. Irrsinnig Menschlich has established the framework for this.

Literatur

Prof. Dr. Matthias C. Angermeyer

Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Universität Leipzig

Johannisallee 20

04317 Leipzig

eMail: Marie-Susan.Krause@medizin.uni-leipzig.de