Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2006; 11(6): 365-367
DOI: 10.1055/s-2006-927197
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Nutzenbewertung in der Medizin - Stand Oktober 2006

Evaluation of Use in Medicine - October 2006P. T. Sawicki1
  • 1Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Köln
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Publication Date:
12 December 2006 (online)

Allgemeiner patientenrelevanter medizinischer Nutzen

Nach § 27 SGB V ist eine medizinische Maßnahme notwendig, wenn sie eine Krankheit erkennen, heilen, ihre Verschlimmerung verhüten oder Krankheitsbeschwerden lindern kann. Der Begriff der Notwendigkeit geht über den Begriff des Nutzens hinaus. Der Nachweis des Nutzens ist demnach eine notwendige aber keine hinreichende Bedingung für den Nachweis der Notwendigkeit. In Ergänzung zu der Beurteilung der Wirksamkeit und der Sicherheit haben die Berichte des Institutes daher primär die Beschreibung des Nutzens und des Schadens aller Arten medizinischer Interventionen zum Ziel. Da sich der Nutzen einer Maßnahme auf den Patienten beziehen soll, beruht diese Bewertung auf Ergebnissen wissenschaftlicher Untersuchungen zur Beeinflussung patientenrelevanter Studienendpunkte. Dabei werden sowohl die beabsichtigten als auch die unbeabsichtigten Effekte der Interventionen berücksichtigt.

Diese Effekte können krankheits- und behandlungsbedingte Veränderungen bzw. die Beeinflussung insbesondere folgender Zielgrößen beinhalten:

Mortalität, Morbidität (Beschwerden und Komplikationen), gesundheitsbezogene Lebensqualität, interventions- und erkrankungsbezogener Aufwand, Patientenzufriedenheit.

Eine im Sinne des Patienten positive Veränderung dieser Aspekte wird als direkter patientenrelevanter medizinischer Nutzen definiert, eine negative Veränderung als direkter patientenrelevanter medizinischer Schaden. Wenn möglich, wird das Verhältnis dieser beiden Größen als Nutzen-Schaden-Relation ausgedrückt.

Diagnostische Maßnahmen können indirekt nutzen, indem sie eine notwendige Voraussetzung für therapeutische Interventionen sind, durch die das Erreichen einer Wirkung auf die der unter 1. bis 5. genannten Zielgrößen möglich wird. Darüber hinaus können diagnostische Tests in patientenrelevanter Weise das Treffen persönlicher Lebensentscheidungen ermöglichen.

Die Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems kann ebenfalls eine patientenrelevante Größe sein. Die direkte Relevanz sollte aber durch eine gleichzeitige Beeinflussung der Behandlungszufriedenheit belegt werden. Außerdem ist zu beschreiben, inwieweit ein Nutzen im Hinblick auf die Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems möglicherweise mit einem Schaden im Hinblick auf Lebenserwartung, Beschwerden und Komplikationen und/oder die gesundheitsbezogene Lebensqualität, den Behandlungsaufwand und die Patientenzufriedenheit verbunden ist.

Interventionen können auch Auswirkungen auf indirekt Betroffene wie zum Beispiel Familienangehörige und Pflegepersonen haben. Diese Auswirkungen können im Rahmen der Institutsberichte gegebenenfalls auch berücksichtigt werden.

Es werden in erster Linie Endpunkte berücksichtigt, die zuverlässig und direkt konkrete Änderungen des Gesundheitszustandes abbilden. Instrumente, die die Lebensqualität oder (andere) so genannte „Patient Reported Outcomes” (PRO) erfassen, sollten als Voraussetzung für deren Einsatz in klinischen Studien aufgrund einer adäquaten Evaluation geeignet sein [1] [2]. Darüber hinaus können für die Nutzenbewertung valide Surrogatendpunkte berücksichtigt werden.

Literatur

  • 1 Food and Drug Administration . Guidance for Industry. Patient-Reported Outcome Measures: Use in Medical Product Development to Support Labeling Claims. Online 2006/19/01.  , http://www.fda.gov/cder/guidance/5460dft.pdf [Zugriff am 3.4.2006]
  • 2 European Medicines Agency . Reflection Paper on the regulatory guidance for the use of Health related quality of life (HRQL) measures in the evaluation of medicinal products. Online 2005/07/27.  , http://www.emea.eu.int/pdfs/human/ewp/13939104en.pdf [Zugriff am 3.4.2006]
  • 3 Prentice R L. Surrogate endpoints in clinical trials: Definition and operational criteria.  Stat Med. 1989;  8 431-440
  • 4 Fleming T R, DeMets D L. Surrogate end points in clinical trials: are we being misled?.  Ann Intern Med. 1996;  125 605-613
  • 5 ASCO Special Article . Outcomes of cancer treatment for technology assessment and cancer treatment guidelines.  J Clin Oncol. 1996;  14 671-679
  • 6 Gøtzsche P C, Liberati A, Torri V. et al . Beware of surrogate outcome measures.  Int J Tech Assess Health Care. 1996;  12 238-246
  • 7 Grimes D A, Schulz K F. Surrogate end points in clinical research: hazardous to your health.  Obstet Gynecol. 2005;  105 1114-1118
  • 8 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften . Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden.  Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. 2000;  L18 1-5
  • 9 Committee for Medicinal Products for Human Use, EMEA .Guideline on the choice of the non-inferiority margin. http://www.emea.eu.int/pdfs/human/ewp/215899en.pdf [Zugriff am 27.10.2005] London; 2005
  • 10 Committee for Medicinal Products for Human Use, EMEA .Guideline on clinical trials in small populations. http://www.emea.eu.int/pdfs/human/ewp/8356105en.pdf [Zugriff am 23.3.2006] London; 2005
  • 11 Schluter P J, Ware R S. Single patient (n-of-1) trials with binary treatment preference.  Stat Med. 2005;  24 2625-2636
  • 12 Jull A, Bennett D. Do n-of-1 trials tailor treatment?.  Lancet. 2005;  365 1992-1994

P. T. Sawicki

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