Zeitschrift für Phytotherapie 2005; 26(6): 259
DOI: 10.1055/s-2005-925479
Editorial

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Phytotherapie - eine »praktische« Angelegenheit

Karin Kraft
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Publication Date:
07 December 2006 (online)

Seit einem Jahr finden sich in der ZPT, dem Wunsch vieler Leser folgend, die Rubriken Kasuistik und Behandlungsprobleme. Zu den bisherigen Themen gehörten u.a. die in der allgemeinärztlichen Praxis häufigen Probleme Blähungen, Appetitlosigkeit, Erkältungen und Ulcus cruris, für deren Behandlung im Übrigen kaum chemisch definierte und womöglich zudem erstattungsfähige Medikamente zur Verfügung stehen. Gerade bei diesen alltäglichen Erkrankungen und Beschwerden schätzen die Patienten die Phytotherapie sehr, dies wird nicht zuletzt auch bei den vielen diesbezüglichen Beiträgen in großen Publikumszeitschriften deutlich. Allerdings ist die Kompetenz von Ärzten und Apothekern bei den in ihrer Vielfalt für den Verbraucher nicht mehr überschaubaren Angeboten weiterhin stark gefragt. Es lohnt sich somit für diese Berufsgruppen, einen hohen Informationsstand auf dem Gebiet der Phytotherapie zu haben. Dies illustriert auch ein aktueller Artikel aus den USA (1), in dem berichtet wird, dass Phytotherapie, die dort bekanntlich Nahrungsergänzungsmittelstatus hat, von mehr als 12 % der US-Bevölkerung, insbesondere chronisch Kranken, verwendet wird, die dafür jährlich mehr als 5 Milliarden US $ selbst aufwendet. Allein schon die demographische Entwicklung, die unweigerlich zur weiteren Zunahme der Zahl der chronisch Kranken in Deutschland führen wird, wird eine weiter steigende Nachfrage bei der Phytotherapie verursachen. Verstärkt wird dies durch die Verunsicherung der Verbraucher infolge von Nebenwirkungsmeldungen und Widerrufen von Zulassungen bei bekannten chemisch definierten Arzneimitteln, aber auch, weil ein immer größerer Anteil von Patienten gut informiert und zur Übernahme von Eigenverantwortung bereit ist.

Da trifft es sich gut, dass die Aus- und Weiterbildungsangebote für Ärzte in diesem Bereich in den letzten Jahren zugenommen haben. In die 2002 geänderte Approbationsordnung für Ärzte ist das Querschnittsfach »Rehabilitative Medizin, physikalische Therapie und Naturheilverfahren« als scheinpflichtige Veranstaltung für alle Medizinstudenten aufgenommen worden. Zudem ist in der Approbationsordnung auch vorgesehen, interessierten Studenten die Möglichkeit zu eröffnen, Naturheilverfahren als Wahlpflichtfach während des klinischen Teil des Medizinstudiums zu wählen. Ich biete es an der Universität Rostock an und musste dieses Jahr strikte Zugangskriterien vorgeben, um den großen Andrang ein wenig einzudämmen. Nichtsdestotrotz gehen in die zu diesem Wahlpflichtfach gehörende Vorlesung über Phytotherapie auch viele Medizinstudenten, die sie als fakultative Veranstaltung besuchen, Gasthörer aus anderen Fakultäten, z.B. angehende Pädagogen, und Hörer vom Seniorenstudium. Es kann somit, je nach Lehrangebotsschwerpunkt der Universitäten, davon ausgegangen werden, dass nicht nur viele junge Ärzte, sondern auch andere Berufsgruppen zukünftig über ein Grundlagenwissen der Phytotherapie verfügen. Dieses kann bei den Ärzten im Rahmen der Weiterbildung noch vertieft werden, insbesondere wenn sie in ärztlichen Praxen oder in Rehabilitationskliniken arbeiten.

Die Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer vom April 2005 für die Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren schließlich sieht 38 von insgesamt 160 Stunden für den Teil »Phytotherapie und Medikamente aus Naturstoffen« vor. Dies dürfte von den Landesärztekammern entsprechend umgesetzt werden. Die demnächst bundesweit bestehende Prüfungspflicht für die Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren dürfte noch eine weitere Motivation sein, sich Kompetenz in der Phytotherapie anzueignen. Bei so viel Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten sehe ich für die Phytotherapie optimistisch in die Zukunft.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Weihnachtswunsch äußern: Sollten Sie die ätherischen Öle von Weihnachtsbaum und -gebäck zu einer Kasuistik inspirieren, lassen Sie es uns unbedingt wissen. Wir brauchen die Erfahrungen aus der Praxis dringend, um die Phytotherapie noch gezielter und effizienter einsetzen zu können.

Literatur

  • 1 Basch EM, Servoss JC, Tedrow UB. Safety assurances for dietary supplements: Policy issues and new research paradigms.  J Herb Pharmacother. 2005;  5 3-15

Karin Kraft