Suchttherapie 2005; 6 - A24
DOI: 10.1055/s-2005-923745

Drogenuntersuchung in Speichelproben – Beigebrauchskontrolle in einer Schwerpunktpraxis für Substitution

G Möller 1, K Bauer 1, U Hönig 1, S Meyer 1, S Steinmeyer 2, A Manns 2, D Baldwin 3
  • 1Gemeinschaftspraxis Allgemeinmedizin – Schwerpunkt Substitution, München
  • 2Dräger Safety AG & Co.KG aA, Lübeck
  • 3Cozart Plc, Oxfordshire, Großbritannien

Ziel/Einleitung:

Gemäß den aktuellen Richtlinien zur Substitutionsbehandlung müssen unangemeldete stichprobenartige Kontrollen auf Beigebrauch anderer Suchtmittel sowie auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Substitutionsmittels durchgeführt werden. Ziel einer hochwertigen qualitativen Diagnostik – inkl. Verfahrenshandhabung und analytische Aussage – ist die unmittelbare Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten beim einzelnen Patienten. Prinzipiell ist das Drogen-Monitoring aus Körperflüssigkeiten wie Blut, Urin, Speichel und Schweiß möglich. Dabei birgt die Beigebrauchskontrolle mittels Urin-Proben Schwierigkeiten. Daher sollten die Einsatzmöglichkeit von Speicheltests als Drogenscreening-Methode unter laufender Substitution im Praxisalltag evaluiert werden.

Methode:

Im Rahmen einer multizentrischen Blindstudie wurden randomisiert bei unseren Patienten statt einer Urinkontrolle Speichelprobenahmen und -analysen durchgeführt. Verwendet wurden zwei Systeme: der Dräger DrugTest®, der .als Substrat 0,2–0,5ml Speichel aufsaugt, sowie der Cozart RapiScan, dessen aufgenommenen Probenmenge im Mittel 1ml beträgt.Es handelt sich bei beiden Systemen um einen Immunoassay-Test, der mittels eines elektronischen Auslesegeräts ausgewertet wird. Qualitativ erfasst wurden bei beiden Systemen THC als Hauptinhaltsstoff des Cannabis, Opiate, Kokain/Benzoylecgonin sowie Amphetamin, des Weiteren noch Designer-Amphetamine wie Ecstasy (mit Dräger DrugTest®) und Benzodiazepine (mit Cozart RapiScan). Im Anschluss an die Tests wurde die verbleibenden Asservate zu einer quantitativen Bestätigungsanalyse mittels GC-MS (bei den RapiScan-Proben) bzw. GC/MSMS (bei den Dräger DrugTest®-Proben) an zwei verschiedene Laboratorien versandt.

Resultate:

Nach Aufklärung der Patienten über die Untersuchungsart, akzeptierten die Patienten die Untersuchungsmethode sehr gut. Sowohl Patienten als auch Praxispersonal empfanden die Speicheltestungen als durchweg angenehmer als einen Sichturin. Von Juli 2004 bis Ende März 2005 untersuchten wir insgesamt 1220gültige Einzelparameter mit den Dräger DrugTest® und Cozart RapiScan. Sämtliche Vor-Ort Parameter sind im Labor überprüft worden. Nach Vergleich mit der GC-MSMS bzw. GC-MS ergab sich in Summe für die vier den beiden Systemen gemeinsamen Testparametern THC, OPI, COC, AMP eine Gesamt-Genauigkeit von 93,2%. Die Gesamt-Spezifität betrug 96,9% und die Gesamt-Sensitivität betrug 60,8%. Zur Bestätigung der Ergebnisse für Benzodiazepine mit dem Cozart RapiScan wurden spezifische Mikrotiterplatten eingesetzt. Es ergeben sich folgende Einzelwerte:

Substanz

Sensitivität

Spezifität

Genauigkeit

PPV

NPV

Speichel Test Verfahren

Opiate (n=305)

75,0%

96,6%

93,4%

78,6%

95,8%

Kokain (n=307)

50,0%

99,7%

97,4%

87,5%

97,7%

THC (n=300)

53,8%

94,5%

85,7%

72,9%

88,1%

Amphetamin (n=308)

50,0%

96,4%

96,1%

8,3%

99,7%

Gesamt (n=1220)

60,8%

96,9%

93,2%

69,1%

95,6%

Zzgl. Test für

Designer-Amphetamine (n=221)

-/-

100,0%

100,0%

-/-

100,0%

Zzgl. Test für

Benzodiazepine (n=86)

42,1%

100,0%

74,4%

100,0%

68,6%

Diskussion:

Der Eingriff in die Intimsphäre wird von dem Patienten bei einem Speicheltest als deutlich geringer empfunden als bei Sichturinen. Der zeitliche Bedarf für die Probensammlung ist bei den Patienten unterschiedlich und konnte in extremen Fällen bis zu 15 Minuten beanspruchen. Das Probensammeln und die Testauswertung verlaufen hygienisch. Speichel ist prinzipiell jederzeit verfügbar, lange Wartezeiten auf Analysematerial, wie z.B. gelegentlich bei Spontanurin, entfallen. Fehlerquellen und Manipulationsmöglichkeiten bei der Substratgewinnung sind bei Speicheltestungen sehr viel geringer als bei Urintests; der Sammelvorgang ist gut vom Testenden zu kontrollieren, ohne die Intimsphäre des Patienten zu beeinträchtigen. Durch die Verwendung eines elektronischen Auslesegerätes lässt sich das Ergebnis ohne subjektive Einflüsse ablesen, dadurch wird eine Fehlinterpretation vermieden. Sollte das Ergebnis forensische Konsequenzen bedingen (Führerscheinstelle, elterliches Sorgerecht u.a.), lässt sich aus dem gleichzeitig gebildeten Asservat der Speichelprobe eine quantitative Bestätigungsanalyse anfordern. Die Gesamt-Genauigkeit sowie die Genauigkeiten der Einzelsubstanzen sind durchweg als gut zu bewerten. Bezodiazepine, deren Missbrauch und Abhängigkeit mit Abstand an der Spitze des schädlichen Arzneimittelgebrauchs in Deutschland stehen, sind in Speichelproben ebenfalls nachzuweisen. Die sehr hohe Spezifität bei nur mäßiger Sensitivität des Tests basiert auf der eingeschränkten Kreuzreaktivität gegenüber der großen Vielfalt an zugelassenen Benzodiazepin-Wirkstoffen und deren Metabolite.

Schlussfolgerung:

Die Testverfahren auf Speichelbasis sind geeignet, mehr Qualität in die medizinische Behandlung zu bringen, da sie vorgegebenen ärztlichen Erfordernissen wie der Beigebrauchskontrolle und deren Dokumentation den – oftmals subjektiven – Möglichkeiten der Patienten viel eher gerecht werden. Die Speicheltestung stellt eine hygienische, einfach zu handhabende Alternative zu gängigen Urinkontrollen dar und kann per EBM abgerechnet werden. Verweigerung der Probengabe oder „nicht können“ treten im Gegensatz zu Probenahmen des Sichturins nicht auf. Die System-Handhabung, automatische Vor-Ort-Dokumentation und die Tatsache der automatischen Asservatbildung für mögliche weitere Untersuchungszwecke ist vorteilhaft. Für einen routinemäßigen Einsatz in der Substitutionsmedizin ist eine Erweiterung des Spektrums nachweisbarer Substanzen – v.a. um EDDP für Methadon, Buprenorphin, Barbiturate und Trizyklische Antidepressiva zu fordern. Eine Verbesserung der Sensitivität ist anzustreben.