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DOI: 10.1055/s-2005-923429
Rudolf Virchow und die Gynäkologie
Im Jahr 1845 wurde dem gerade 23jährigen Rudolf Virchow die Ehre zu Teil, anlässlich des Geburtstages des Gründers der Pépinière im 50. Jahr des Bestehens die Festrede zu halten. Die Rede „über das Bedürfnis und die Richtigkeit einer Medizin vom mechanischen Standpunkt“ ist die Programmrede für eine neue Medizin, die hier schon im Kern entworfen wird: klinische Beobachtung, Tierexperiment und Sektion seien die unerlässlichen Hilfsmittel, mit denen man Zugriff auf die Krankheitsursachen erhalten können. Elf Jahre später hat er dieses neue Konzept als ‘Zellularpathologie’ ausformuliert.
Wir wissen nicht, ob zu den Zuhörern auch Carl Mayer gehörte; ihm hätte der Anspruch des jungen Mannes sicher gefallen.
Carl Mayer war praktischer Arzt und Geburtshelfer und der einzige Armengeburtshelfer Berlins. Mayer, als „roter Republikaner“ verdächtigt, war eine Integrationsfigur, dessen offenes Haus gestandene Ärzte und junge Wissenschaftler zusammenführte, die alle von liberalen Ideen geprägt waren. Hier erfolgte auch die Gründung der ‘Berliner Gesellschaft für Geburtshülfe’, die von Anfang an mehr Wert auf Diskussion als auf langatmigen Vortrag legte.
Schon bald taucht in der Mitgliederliste ein außerordentliches Mitglied auf: Rudolf Virchow. Die Gesellschaft war für ihn ein Forum, das ihn formte und das er formen konnte. Schon vor 1848 hat er hier seine Vorstellungen von einer neuen naturwissenschaftlichen und sozialen Medizin vertreten dürfen. In zwei Jahren hat er 13 Beiträge geliefert und wir können sicher sein, dass er die programmatischen Vorworte der ersten Bände wesentlich mit gestaltet hat.
Ob Mayer seine Hand im Spiele hatte, als der junge Virchow mit der heiklen Aufgabe der Untersuchung der Typhusepidemie in Oberschlesien vom preußischen Kultusminister betraut wurde, wissen wir nicht. Sie hat seine Vorstellung von einer wissenschaftlichen u n d sozialen Medizin ganz wesentlich geprägt.
Das Haus Mayer aber wurde noch in anderer Hinsicht für Virchow wichtig: die dritte Tochter Rose wurde seine Frau.
Im Hause Mayer hat Virchow auch seinen Vortrag „ Das Weib und die Zelle“ gehalten, der auch Auskunft gibt über das Frauenbild des jungen Gelehrten.