Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(47): 2727-2728
DOI: 10.1055/s-2005-922066
Leserbriefe

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Erfahrungen mit der Realisierung innovativer Studiendesigns am Beispiel der HOPE-Studie - Erwiderung

B. Rangoonwala
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Publication Date:
17 November 2005 (online)

Zu dem Leserbrief bezüglich der Veröffentlichung „Erfahrungen mit der Realisierung innovativer Studiendesigns am Beispiel der HOPE-Studie“ [12] möchte ich wie folgt Stellung nehmen: Wie aus dem Titel und Inhalt der Publikation zu entnehmen ist, ging es in diesem Beitrag um die Notwendigkeit und die Forderungen, die man an eine klinisch gut kontrollierte, Langzeit-, Endpunktstudie unter Alltagsbedinungen mit einer breiten Patientenpopulation stellen sollte. Dabei wurden insbesondere die Herausforderungen, Probleme und die gemachten Erfahrungen am Beispiel der HOPE-Studie dargestellt. Es war nicht die Absicht dieses Artikels, über detaillierte Ergebnisse der HOPE-Studie zu berichten. Dies ist bereits ausführlich in dem international renommierten „New England Journal of Medizin“ publiziert worden [1].

Das Konzept und die Ergebnisse der HOPE-Studie mit dem ACE-Hemmer Ramipril im Vergleich zu Vitamin E und Plazebo ist international sowohl von der medizinischen Fachwelt, als auch von den Gesundheitsbehörden akzeptiert, und hat zu einer Paradigmenänderung in der Behandlung von Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko aber mit normaler linksventrikulärer Funktion geführt.

Bezüglich der Patientencharakteristika konnte zwischen der Ramipril- und Plazebo-Gruppe insgesamt, als auch wenn man die individuellen Parameter betrachtet, kein statistisch signifikanter Unterschied festgestellt werden [1]. Damit waren die beiden Gruppen vergleichbar. In gut kontrollierten großen Langzeitstudien ist es üblich, dass man die primären und sekundären Endpunkte als relative Risikoreduktion angibt. Dies wird aus der absoluten Differenz zwischen den vergleichenden Gruppen errechnet. Die Angaben in meinem Beitrag über die prozentuale signifikante Senkung der kardiovaskulären Ereignisse bei der Ramipril-behandelten Gruppe im Vergleich zur Plazebo-Gruppe sind korrekt zitiert worden, und beziehen sich auf die Original-Publikation der HOPE-Studie [1].

Weiter wird im Leserbrief meine Aussage, dass die protektive Wirkung von Ramipril auf die kardiovaskulären Ereignisse nicht nur allein auf die Blutdrucksenkung zurückzuführen ist, in Frage gestellt. Es ist außer Frage, dass bei Hypertonikern die Blutdrucksenkung das Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen reduziert. Dies ist um so stärker ausgeprägt, je höher der Ausgangsblutdruck ist. Neue Befunde mit Substanzen insbesondere die, die das Renin-Angiotensin-System beeinflussen, zeigen bei Patienten mit kardiovaskulären Risiken einen protektiven Effekt, der über die Blutdrucksenkung hinausgeht [2] [3].

In meinem Beitrag wurde darauf hingewiesen, dass in der HOPE-Studie eine größere Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse in der Ramipril-Gruppe im Vergleich zu Plazebo-Gruppe festgestellt wurde, als dies aufgrund der geringen Differenz bei dem systolischen und diastolischen Blutdruck zwischen den beiden Gruppen erwartet werden konnte. Hierzu ist auf die Veröffentlichungen von Sleight P. et al. [4] und Bosch J. et al. [5] hinzuweisen. In diesen beiden Publikationen werden sowohl die Wirkung von Ramipril auf den kombinierten primären Endpunkt, als auch der Schlaganfall zu Blutdruck in Beziehung gesetzt. Sowohl Patienten mit niedrigen als auch mit erhöhten Ausgangsblutdruckwerten profitierten in signifikanter Weise von der Ramiprilbehandlung.

Die im Leserbrief zitierte Arbeit über 24-Stunden-Blutdruckmessung, in welcher eine stärkere Blutdrucksenkung im Mittel von syst. 10/diast. 4 mmHg nachts sogar noch größer, als in der HOPE-Studie gemessen worden war, bezieht sich auf eine kleine Gruppe von nur 38 Patienten aus der gesamten HOPE-Studienpopulation. Alle diese 38 Patienten hatten periphere vaskuläre Erkrankungen, im Vergleich zu 44 % in der HOPE-Studienpopulation. Außerdem erhielt diese sehr kleine Subgruppe weniger Betablocker und Kalziumantagonisten und hatte daher deutlich höhere Ausgangsblutdruckwerte [6]. Es ist nicht überraschend, dass diese 38 Patienten mit einer stärkeren Blutdrucksenkung unter Ramiprilbehandlung reagierten, als im Vergleich zu der gesamten HOPE-Studienpopulation. Diese erhobenen Befunde an 38 Patienten dürfen nicht auf die gesamte Patientenzahl der HOPE-Studie übertragen werden. Der in der HOPE-Studie zusätzlich zur Blutdrucksenkung beobachtete kardioprotektive Effekt konnte auch in der LIFE- [2] und ASCOT-BPLA-[3]Studie bestätigt werden.

Die ALLHAT, eine große Hochdruckstudie [7], zeigt eine Anzahl von Ungereimtheiten bezüglich Patientenpopulation, Studiendesign, antihypertensiven Substanzen, verwendet in Stufe 2 und 3, sowie fehlender Vitalstatus von 800 Patienten. Außerdem waren in den drei Behandlungsgruppen die erzielten systolischen Blutdruckwerte im Mittel signifikant unterschiedlich. Im Vergleich zu den Chlorthalidon- und Amlodipin-Gruppen waren die systolischen Blutdruckwerte in der Lisinopril-Gruppe signifikant höher. Die diastolischen Blutdruckwerte in der Amlodipin-Gruppe waren niedriger als in den beiden anderen Gruppen. Trotz dieser Differenz bei den Blutdruckwerten konnte kein signifikanter Unterschied in dem kombinierten primären Endpunkt (tödlicher und nicht-tödlicher Herzinfarkt) zwischen den drei Gruppen beobachtet werden. Die Gesamtmortalität in den drei Gruppen zeigte auch keinen signifikanten Unterschied. Herzinsuffizienz trat signifikant häufiger in der Amlodipin- und Lisinopril-Gruppe als in der Chlothalidon-Gruppe ein. Dies könnte auf die plötzliche Absetzung der Diuretikagabe in den beiden Gruppen, entsprechend der Versuchsanordnung der Studie, zurückzuführen sein. Das relative Risiko, einen Schlaganfall sowie kombinierte kardiovaskuläre Ereignisse (einige Komponenten der sekundären Endpunkte) zu erleiden, war größer, insbesondere bei afroamerikanischen Patienten unter der Behandlung mit Lisinopril.

In der VALUE-Studie [8] mit Hochdruckpatienten war in den ersten 6 Monaten sowohl die systolische als auch die diastolische Blutdrucksenkung (syst. 4,0/diast. 2,1 mmHg) in der Amlodipin-Gruppe deutlich ausgeprägter als in der Valsartan-Gruppe. Danach bestand im Durchschnitt eine Differenz beim Blutdruck von syst. 2,0/diast. 1,6 mmHg zwischen den beiden Gruppen. Trotz dieser Differenz der Blutdruckwerte, konnte kein signifikanter Unterschied bei dem kombinierten primären Endpunkt (plötzlicher Herztod, tödlicher Herzinfarkt und Letalität während oder nach invasiver Koronarreperfusion) zwischen den beiden Gruppen festgestellt werden. Auch bezüglich der Gesamtmortalität war kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen zu beobachten. Der einzige signifikante Unterschied war ein geringeres relatives Risiko, in der Amlodipin-Gruppe einen Herzinfarkt zu erleiden.

In den ersten 6 Monaten war ein positiver Trend für die Reduzierung der primären und sekundären Endpunkte in der Amlodipin-Gruppe zu erkennen. Dies korrelierte mit der stärksten Differenz im Blutdruck. Während der Studiendauer verringerte sich die Differenz im Blutdruck und auch der positive Trend für die kardiovaskulären Ereignisse in der Amlodipin-Gruppe. Für Schlaganfall, Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz und Gesamtmortalität konnte, trotz niedrigem Blutdruck in der Amlodipin-Gruppe, sogar ein positiver Trend für die Valsartan-Gruppe beobachtet werden. Diese Befunde weisen darauf hin, dass die erwünschte signifikante Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse nicht allein durch die Blutdrucksenkung zu erklären ist.

Die Patientenpopulation, die in die Studien EUROPA [9] und PEACE [9] einbezogen wurde, war den Patienten der HOPE-Studie ähnlich. In diesen beiden Studien, die 3 bzw. 4 Jahre nach der HOPE-Studie veröffentlicht wurden, erhielt ein deutlich höherer Prozentsatz der Patienten Aspirin, Betablocker und Lipidsenker im Vergleich zu Patienten der HOPE-Studie und war damit besser therapeutisch behandelt worden. Die Ausgangsblutdruckwerte in der EUROPA-Studie waren im Mittel im Normalbereich (syst. 137/diast. 82 mmHg). Während des Studienverlaufs konnte eine Differenz bei den Bluthochdruckwerten (syst. 5,0/diast. 2,0 mmHg) zu Gunsten der Perindopril-Gruppe im Vergleich zur Plazebogruppe gemessen werden. Der kombinierte primäre Endpunkt (kardiovaskuläre Mortalität, Myokardinfarkt oder Herzstillstand) war in der Perindopril-Gruppe im Vergleich zur Plazebogruppe signifikant gesenkt (relative Risikoreduktion 20 %). Es konnte aber keine signifikante Senkung der kardiovaskulären Mortalität, der Gesamtmortalität sowie von Schlaganfällen als einzelne Parameter in der Perindopril-Gruppe dokumentiert werden.

In der HOPE-Studie konnte gezeigt werden, dass Patienten mit niedrigen bzw. erhöhten Ausgangsblutdruckwerten bezüglich der Abnahme des kombinierten primären Endpunktes wie auch Schlaganfall in gleichem Maße profitieren [4] [5].

Die Ergebnisse der PEACE-Studie [10] konnten keinen signifikanten Unterschied in der relativen Risikoreduktion des kombinierten primären Endpunktes zwischen der ACE-Hemmer Trandolapril- und Plazebo-Gruppe aufweisen. Der Ausgangsblutdruckwert in den beiden Gruppen lag im Normalbereich (syst. 133/diast. 78 mmHg). Nach 36 Monaten waren die systolischen und diastolischen Blutdruckwerte signifikant niedriger in der Trandolapril-Gruppe als in der Plazebo-Gruppe. Signifikant weniger Patienten waren in der Trandolapril-Gruppe wegen Herzinsuffizienz gestorben oder hospitalisiert. Auch die Zahl der Patienten, die einen neuen Diabetes entwickelten, war signifikant geringer als in der Plazebo-Gruppe.

Für die Gründe, warum der kombinierte primäre Endpunkt durch Trandolapril nicht positiv beeinflusst wird, können folgende Faktoren verantwortlich gemacht werden: Patientenzahl war nicht groß genug um statistischen Unterschied feststellen zu können. In Wirklichkeit wurde die ursprünglich geplante Patientenzahl von 14  000 auf 8100 reduziert und der primäre Endpunkt durch Aufnahme von koronarer Revaskularisation geändert. Dieser Parameter wird in den verschiedenen Prüfzentren unterschiedlich gehandhabt und ist daher als nicht sensitiv genug zu bezeichnen. Außerdem war die Dosierung von 4 mg Trandolapril täglich höchstwahrscheinlich für die Patienten der PEACE-Studie, die ein niedriges kardiovaskuläres Risiko hatten, nicht ausreichend gewesen, um einen klaren kardioprotektiven Effekt zu demonstrieren.

In einer Metaanalyse der Mortalitätsdaten der HOPE-, EUROPA- und PEACE-Studie konnte gezeigt werden, dass insgesamt eine signifikante Senkung der Mortalität durch die drei in diesen Studien untersuchten ACE-Hemmer nachzuweisen ist. Das gleiche konnte für Reinfarkt und Schlaganfall beobachtet werden [11]. Dieser Befund bestätigt, dass die drei in diese Studien einbezogenen ACE-Hemmer bei Patienten mit vaskulären Erkrankungen, aber mit normaler linksventrikulärer Funktion, einen kardioprotektiven Effekt aufweisen.

Die hier auf wissenschaftliche Veröffentlichungen gestützte Darstellung und Interpretation macht deutlich, dass die im Leserbrief vorgebrachten Einwände nicht aufrecht zu halten sind. In der heutigen Zeit der Evidenz-basierten Medizin ist es empfehlenswert außer eigenen klinischen Erfahrungen, auch die Ergebnisse der gut kontrollierten, Langzeit-, Endpunktstudien zu berücksichtigen und danach zu entscheiden, welches Medikament, und in welcher Dosierung für den Patienten am besten geeignet ist. Durch diese Vorgehensweise ist es sicherlich möglich, die Behandlung von Herzkreislauferkrankungen noch weiter zu verbessern.

Literatur

  • 1 The Heart Outcomes Prevention Evaluation Study Investigators . Effects of an angiotensin-converting-enzyme inhibitor, ramipril, on cardiovascular events in high-risk patients.  N Engl J Med. 2000;  342 145-153
  • 2 Dahlöf B, Devereux R B, Kjeldsen S E. et al . Cardiovascular morbidity and mortality in the Losartan Intervention For Endpoint reduction in hypertension study (LIFE): a randomised trial against atenolol.  Lancet. 2002;  359 995-1003
  • 3 Dahlöf B, Severs P, Poulter N R. et al .Prevention of cardiovascular events with an antihypertensive regimen of amlodipine adding perindopril as required versus atendol adding bendroflumethiazide as required, in the Anglo-Scandinavian Cardiac Outcomes Trial-Blood Pressure Lowering Arm (ASCOT-BPLA): a multicentre randomized controlled trial. Lancet Published online September 4, 2005 2005
  • 4 Sleight P, Yusuf S, Pogue J. et al . Blood-pressure reduction and cardiovascular risk in the HOPE-study.  Lancet. 2001;  358 2130-2131
  • 5 Bosch J, Yusuf S, Pogue J. et al . Use of ramipril in preventing stroke: double blind randomised trial.  BMJ. 2002;  324 699-702
  • 6 Svensson P, de Faire U, Sleight P. et al . Comparative effects of ramipril on ambulatory and office blood pressure: a HOPE Substudy.  Hypertension. 2001;  38 E28-E32
  • 7 The ALLHAT officers and coordinators for the ALLHAT collaborative Research Group . Major outcomes in high-risk hypertensive patients randomised to angiotensin-converting enzyme inhibitor or calcium channel blocker vs. diuretic. The Antihypertensive and Lipid-Lowering treatment to Prevent Heart Attack Trial (ALLHAT).  JAMA. 2002;  288 2981-2997
  • 8 Julius S, Kjeldsen S E, Weber M. et al . Outcomes in hypertensive patients at high cardiovascular risk treated with regimens based on valsartan or amlodipine: The VALUE randomised trial.  Lancet. 2004;  363 2022-2031
  • 9 The EURopean trial on reduction of cardiac events with Perindopril in stable corornary Artery disease Investigators . Efficacy of perindopril in reduction of cardiovascular events among patients with stable coronary artery disease: randomised, double-blind, placebo-controlled, multicentre trial (the EUROPA study).  Lancet. 2003;  362 782-788
  • 10 The PEACE Trial Investigators . Angiotensin-Converting-Enzyme Inhibition in stable coronary artery disease.  N Engl J Med. 2004;  351 2058-2068
  • 11 Yusuf S, Pogue J. ACE inhibition in stable coronary artery disease.  N Engl J Med. 2005;  352 937-938
  • 12 Rangoonwala B. Erfahrungen mit der Realisierung innovativer Studiendesigns am Beispiel der HOPE-Studie.  Dtsch Med Wochenschr. 2005;  130 S82-S85

Dr. PhD. B. Rangoonwala

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